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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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weit zurück, und manchmal verbargen
     uns die Regenschauer, und wenn es ein größerer Regenschauer war, ließ Sverri das Segel einholen und steuerte den
Trader
gegen den Wind nach Westen, |240| und seine Männer peitschten auf uns ein. Zwei von seinen Leuten legten sich sogar selbst in die Ruder, damit wir über den
     immer dunkler werdenden Horizont entkommen konnten, bevor das rote Schiff bemerkte, dass wir den Kurs gewechselt hatten. Es
     war eine grausame Anstrengung. Die schweren Böen drückten gegen das Schiff, und steil tauchten wir in die Wellentäler hinein,
     und jeder Ruderschlag brannte in den Muskeln, bis ich glaubte, vor Erschöpfung die Besinnung zu verlieren. Erst die vollkommene
     Dunkelheit erlöste uns. Sverri konnte die hohen Wellen, die von Westen heranwogten, nicht mehr sehen, und so ließ er uns die
     Ruder einholen und die Ruderlöcher verschließen. Und dann lagen wir wie Tote in unserem Schiff, das von der nächtlichen See
     auf Wellenberge getragen und in tiefe strudelnde Täler hinabgeworfen wurde.
    In der Morgendämmerung waren wir allein auf dem weiten Meer. Wind und Regen trieben von Süden heran, und das bedeutete, dass
     wir nicht rudern mussten, sondern das Segel aufziehen und uns vom Wind über die grauen Wassermassen tragen lassen konnten.
     Ich blickte mich nach dem roten Schiff um, doch es war nirgends zu sehen. Da waren nur die Wellen und die Wolken und die Regenschauer,
     die über unser Erwachen zogen, und die wilden Vögel, die wie kleine, weiße Tuchfetzen in dem scharfen Wind taumelten, und
     der
Trader
schoss in diesem Wind so schnell dahin, dass die Wellen an unseren Bordwänden entlangrauschten, und Sverri stand am Steuer
     und pries sein Entkommen vor dem geheimnisvollen Feind mit einem Lied. Ich hätte am liebsten wieder geweint. Ich wusste nicht,
     was das rote Schiff vorhatte oder wer es führte, aber ich wusste, dass es ein Feind Sverris war, und jeder Feind Sverris war
     mein Freund. Aber das Schiff war verschwunden. Wir waren ihm entkommen.
    |241| Und so kehrten wir nach Britannien zurück. Sverri hatte nicht vorgehabt, hierher zu fahren, und er hatte auch keine Ladung
     zu verkaufen, und obwohl er an Bord Münzen versteckt hatte, mit denen er Waren kaufen konnte, mussten sie auch dafür ausreichen,
     uns am Leben zu erhalten. Er war dem roten Schiff entgangen, aber er wusste, dass es ihm bei seiner Rückkehr an der jütländischen
     Küste auflauern würde, und bestimmt dachte er über einen anderen Ort nach, an dem er sicher überwintern konnte. Das bedeutete,
     dass er einen neuen Herrn finden musste, der ihm Schutz bot, während er den
Trader
ans Ufer holte, um ihn zu reinigen, zu flicken und zu kalfatern, und dafür würde dieser Herr Silber fordern. Wir Ruderleute
     reimten uns aus aufgeschnappten Gesprächsbrocken zusammen, dass Sverri eine letzte Ladung aufnehmen, damit nach Dänemark fahren
     und sie dort verkaufen wollte. Dann wollte er nach einem sicheren Hafen suchen, von dem aus er sich über Land auf den Weg
     nach Hause machen konnte, um das Silber zur Bezahlung der Handelsreise des kommenden Jahres zu holen.
    Wir lagen vor der britannischen Küste. Ich erkannte nicht, wo genau wir uns befanden, aber ich wusste, dass es nicht Ostanglien
     war, denn vor uns lagen Felsgestein und schroffe Hügel. «Hier gibt’s nichts zu kaufen», murrte Sverri.
    «Vielleicht Felle?», überlegte Hakka.
    «Und welchen Preis bringen die um diese Jahreszeit ein?», fragte Sverri wütend. «Wir kriegen nur, was sie im Frühjahr nicht
     losgeworden sind. Nichts als wertloses Zeug, an dem überall die Schafsköttel kleben. Da lade ich noch lieber Kohle.»
    An einem Abend suchten wir uns einen Platz in einer Flussmündung, und bewaffnete Reiter erschienen am Ufer, |242| um uns in Augenschein zu nehmen, doch sie ließen die kleinen Fischerboote, die auf dem Strand lagen, unbenutzt liegen, und
     deuteten damit an, dass sie uns in Ruhe lassen würden, wenn wir sie ebenfalls in Ruhe ließen. Kurz bevor es dunkel wurde,
     kam ein weiteres Handelsschiff in die Mündung und ankerte ganz in unserer Nähe. Der dänische Schiffsführer bestieg ein kleines
     Boot und ruderte damit zu uns herüber, und dann hockten Sverri und er in dem Raum unter der Steuerplattform und tauschten
     Neuigkeiten aus. Wir konnten nichts davon hören. Wir sahen die beiden Männer nur Bier trinken und sich unterhalten. Der Fremde
     ging, bevor die Nacht sein Schiff vollkommen verschluckt hatte, und

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