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Die Herren von Buchhorn

Titel: Die Herren von Buchhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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verbrachte Wendelgard wie in Trance. Die Albträume raubten ihr den wenigen Schlaf, den die strenge Klosterregel ihr gönnte, und sie fühlte sich immer matter und gleichzeitig immer rastloser. Sie merkte gar nicht, dass die anderen Inklusinnen sie zu meiden begannen. Ebenso wenig achtete sie auf die Gerüchte, die immer zahlreicher vom Kloster in ihre Einöde im Schatten von St. Mangen herüberwehten.
     
    Als Wendelgard am vierten Tag nach der Nachricht von Mechthilds Tod aufwachte, fühlte sie sich so krank, dass sie kaum der Morgenandacht beiwohnen konnte. Mit matten Blicken betrachtete sie die übrigen Inklusinnen, die aufgeregt miteinander tuschelten. Ein frischer Wind wehte von den Bergen her, und am Himmel hingen graue Wolken. Es roch nach Regen.
    Erst Wiboradas letzte Worte durchdrangen ihre Lethargie. »Ihr bleibt bis auf Weiteres im Garten«, befahl sie, ehe sie sich hinter den Vorhang zurückzog.
    Einen Augenblick lang blieb die alte Inkluse reglos in ihrer Zelle stehen und blickte sich um. In einer unbewussten Geste zerrte sie an ihrem Stahlgürtel, dann humpelte sie an das Fenster, das sie mit der Außenwelt verband, und sah dem kräftigen, hochgewachsenen Mann mit dem eisgrauen Haarkranz und den eisgrauen Augen, der dort im Regen stand, ruhig entgegen. »Ehrwürdiger Abt und Bischof, ich grüße Euch und danke Euch, dass Ihr meiner Bitte nachgekommen seid.«
    Ein breites Lächeln huschte über das Gesicht Salomos, des Bischofs von Konstanz. »Wenn Ihr ruft, ehrwürdige Wiborada, werde ich niemals zögern.« Ihr strenger Blick prallte an ihm ab, sein Lächeln wurde wenn möglich noch herzlicher. »Ich hoffe, Ihr habt den kalten Winter gut überstanden.«
    »Der Herr hat mir beigestanden.«
    »Daran habe ich keinen Zweifel«, bemerkte der Bischof mit einem Zwinkern. Dann wurde er ernst. »Doch nun sagt mir noch einmal, warum Ihr mir geschrieben habt. Es geht um Wendelgard?«
    Wiborada stieß einen leisen Seufzer aus. »Sie kann nicht vergessen. Und sie kann sich nicht in ihre Rolle als Inkluse fügen. Ich dachte, nachdem sie ihre ersten Schwierigkeiten überwunden hätte, würde es besser werden, aber ich habe mich getäuscht.«
    Salomo hob fragend die Augenbrauen.
    »Sie hat Albträume, schlimme Albträume, die sie Nacht für Nacht heimsuchen. Sie hängt an der weltlichen Liebe zu ihrem Mann.«
    Der Bischof nickte versonnen. Sein Mund hatte einen weichen Zug angenommen. »In der Tat, ich hätte nie gedacht, dass die beiden so glücklich werden würden. Sie hatten so gar nichts gemeinsam, und doch haben sie eine tiefe Liebe zueinander entwickelt. Er wusste, wie er mit ihren kindischen Launen umgehen musste, und sie … sie hat ihn angebetet.«
    »Aber jetzt sollte sie nur noch Gott lieben!«, sagte Wiborada streng. »Und seit dieser junge Schmied mit seinen toten Eltern ins Kloster gekommen ist …« Sie unterbrach sich, als sie das kurze Aufflammen in den Augen des Bischofs sah, doch Salomo bedeutete ihr stumm, fortzufahren. »Es hat sie krank gemacht, und ich befürchte das Schlimmste. Und darum möchte ich die Entscheidung in Eure Hand legen, ob Ihr ihrem Wunsch nachkommt, sie jetzt schon nach Buchhorn reisen zu lassen, damit sie der Beerdigung beiwohnen kann.«
    »Befürwortet Ihr es?«
    »Wie kann ich das?«, fragte Wiborada. Ihre Stirn war gefurcht. »Und doch … sie scheint mir nicht bereit für das Leben, für das sie sich entschieden hat. Seit Tagen ringe ich mit mir und frage mich, ob es ein Zufall ist, dass der junge Gerald gerade jetzt unsere Ruhe gestört hat.«
    »Vielleicht. Jedenfalls glaube ich, dass es hier um mehr geht als um einen ermordeten Schmied und sein Weib.«
    »Salomo, wenn Ihr diesen Blick habt, denkt Ihr nicht mehr an Gott, sondern an Eure weltlichen Pflichten.«
    Der Bischof zuckte die Achseln. »Ihr kennt mich zu gut.«
    »Ihr glaubt, dass diese Morde für mehr Leute wichtig sind als für einen jungen Schmied?«
    »Ich glaube an Gott den Herrn und seinen Sohn Jesus Christus und den Heiligen Geist, wie es das Konzil von Nicäa bestimmt hat. Diese Dreifaltigkeit leitet mich durchs Dasein.« Er sah sie aus seinen grauen Augen beinahe liebevoll an. »Und Gottes Wege zu ergründen, ist unsere Aufgabe, nicht wahr?«
    Wiborada strich sich unter dem Schleier über ihre Stirn. »Gottes Wege ja, Salomo. Aber der Menschen Wege?«
    »Sind sie nicht auch Gottes Willen unterworfen?«
    »Ihr habt Euch also entschieden? Werdet Ihr sie gehen lassen?«
    Salomo holte tief Atem. »Ich

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