Die Herren von Buchhorn
die Zelle. Die junge Frau folgte mit zitternden Knien. Plötzlich hatte sie eine unerklärliche Angst davor, die strengen Mauern der Klause zu verlassen. Das Kloster, das in ein paar Hundert Metern Entfernung aufragte, kam ihr riesig vor.
Als sie den Stiftsbezirk betraten, eilten überall geschäftige Mönche hin und her. Nach der Stille von St. Mangen dröhnten sogar die wenigen Geräusche in ihren Ohren. Wendelgard fühlte, wie ihr Herz zu hämmern begann. »Ich kann es gar nicht glauben, Agnes«, flüsterte sie und presste die gefalteten Hände gegen die Brust. »In den letzten drei Jahren hab ich manchmal fast geglaubt, dass die Welt hier draußen nicht mehr existiert, aber sie existiert und … Wildfang!«
»Wendelgard!«, rief Agnes, aber ihr empörter Ausruf verhallte ungehört. Sie sah nur noch, wie Wendelgard ihr langes Hemd zusammenraffte und auf einen Mönch zustürzte, der ein mageres Pferd am Zügel führte.
»Wendelgard!«
»Agnes, das ist Wildfang!« Wendelgard schluchzte fast, während sie ihre Wange an den Hals des Pferdes schmiegte. »Er hat meinem Mann gehört. Agnes, er hat Udalrich gehört und jetzt … hier …«
»Komm sofort mit!« Agnes packte Wendelgard am Arm und zerrte sie von dem Pferd weg. »Glaub mir, Wiborada wird von diesem Verhalten erfahren.«
»Aber Agnes!« In Wendelgards Augen standen Tränen. »Kannst du denn nicht verstehen …?«
»Nein! Du hast dich für dieses Leben entschieden, und du führst dich auf wie ein verwöhntes Kind! Wann findest du dich endlich damit ab, dass es für die ehemalige Gräfin von Buchhorn keine Sonderbehandlung gibt? Ich wünschte, Gott würde dieses Tier vor deinen Augen tot umfallen lassen. Und jetzt komm endlich.« Wütend zerrte sie die jüngere Frau mit sich fort, bis sie endlich vor einem Haus etwas entfernt vom eigentlichen Kloster standen.
Ein dicklicher Mönch begrüßte Agnes mit einem respektvollen Nicken, während er Wendelgards blasses Gesicht nur mit einem flüchtigen Blick streifte. Stumm führte er die beiden Frauen in das Spital. Mit einem Anflug von Dankbarkeit erkannte Wendelgard, dass es sich nicht um das Hospitale Pauperum, das Armenspital, handelte, in das man Mechthild gebracht hatte, sondern um dasjenige, das den wohlhabenderen Durchreisenden Schutz und Pflege bot.
Zögernd, mit gesenktem Kopf, trat sie an das schmale Bett.
»Heilige Muttergottes!« Sie schlug die Hände vor den Mund. Mechthild war übel zugerichtet, ihr Gesicht zerschlagen und geschwollen, und um ihren Kopf war ein dicker Verband gewickelt. Es fiel ihr schwer, in der misshandelten Frau das lebenslustige Eheweib des Schmieds zu erkennen, mit der sie mehr als einmal ein paar Worte gewechselt hatte. Scheu streckte sie die Hand aus und berührte die feuchte Haut der Frau. Mechthild stöhnte rau.
Wendelgard drehte sich zu dem Mönch um. Als sie sprach, merkte sie, wie belegt ihre Stimme klang. »Wird sie sterben?«
»Ihr Leben ist in Gottes Hand.« Der Mönch zögerte, dann setzte er hinzu: »Aber ich wage zu hoffen, dass er sie noch nicht zu sich ruft. Sie ist schwer verletzt, aber sie scheint stark und wohlgenährt. Dennoch kann man nie wissen …« Sein Blick huschte zu Agnes, die in einiger Entfernung stand und zu ihnen hinübersah.
»Danke«, flüsterte Wendelgard und kniete neben der Kranken nieder. »Mechthild, ich bin es. Die …« Sie zögerte. »Die Gräfin von Buchhorn. Du wolltest mich sprechen. Was bedrückt dich, Mechthild?«
Die Lider der Frau flatterten. »Gerald …«
Wendelgard fühlte, wie ihre Augen heiß wurden. Sie dachte an ihr eigenes Schicksal und unterdrückte ein Schluchzen. »Er hat seinen Frieden«, flüsterte sie. »Aber du, was ist mit dir?«
»Die Gräfin wird wissen … Adalbert … und die beiden Edelleute … nein! Ich sage nichts! Nein! Ge-rald … in meinem Bündel. Bring es der Gräfin … sie wird …« Mechthild begann, den Kopf hin und her zu werfen.
Als Agnes sie beiseite zog, wehrte Wendelgard sich nicht. Hilflos blickte sie auf die murmelnde Frau.
»Fieber!«, erklärte der Mönch. »Mit Gottes Hilfe ist sie in ein paar Tagen klarer. Und wenn nicht …« Er zuckte die Achseln und blickte zur Decke, während Agnes und Wendelgard schweigend das Hospiz verließen.
Die Worte der Abendandacht rauschten an Wendelgard vorbei wie ein Traum. Als Beata ihr später den Kräutersud brachte, kam es ihr so vor, als habe noch nie ein Morgen so weit zurückgelegen wie dieser. Sie nahm die heiße Schale an sich und
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