Die Herren von Buchhorn
zu erweisen.«
»Da hast du viel vor, mein Junge. Dein Vater und ich waren Freunde. Hättest du nicht das Glück gehabt, sein Sohn zu sein, wärst du heute nicht mehr am Leben. Und ich auch nicht. Gottes Wege sind unerforschlich.« Er lehnte den Kopf gegen den Stamm und schloss halb die Augen.
Gerald schluckte krampfhaft.
»Tritt mir nie wieder auf die Füße.«
Zu seinem eigenen Entsetzen fühlte Gerald, wie seine Augen heiß und feucht wurden.
»Reue?«
Gerald nickte.
»Späte Reue schmeckt bitter. Aber du hast gut gekämpft. Du hast getötet. Du hast Rache genommen. Jetzt geht es darum, die Hintermänner zu entlarven. Aber erst muss ich Wendelgard sehen!«
»Aber das geht nicht, Herr!«
»Was ist das?« Udalrichs Miene verfinsterte sich. »Welche neue Frechheit ist das, Bursche?«
Gerald knetete das blutige Grasbüschel zwischen den Fingern. »Bitte Herr, ich weiß, dass ich Euch keinen Rat geben darf. Aber …« Er zögerte.
»Nur zu!«
»Die Gräfin weiß nicht, dass Ihr im Lande seid. Der Fürstbischof hat immer wieder gesagt, sie solle es nicht erfahren. Noch nicht«, setzte er hastig hinzu. »Vielleicht solltet Ihr erst mit ihm sprechen. Er kann für Eure Sicherheit garantieren. Sie würde Euren Tod nicht ein zweites Mal überleben. Verzeiht, Herr.« Er wagte einen Blick auf das Gesicht des Grafen.
Udalrichs Mund zuckte. »Sie würde es nicht ertragen, sagst du. Glaubst du, sie …«
»Sie liebt Euch, Herr«, sagte Gerald schlicht. »Um ihretwillen solltet Ihr an Eure Sicherheit denken.«
»Womöglich hast du recht. Der alte Fuchs wird Rat wissen. Kannst du mich zu ihm bringen?«
»Ich bringe ihn her, Herr, das ist sicherer. Wenn Ihr einverstanden seid.«
»Dann geh.« Ohne auf Gerald zu achten, schritt er zu dessen Wagen. Beim Anblick des Pferdes stutzte er. »Ist das Wildfang?«
»Ja, Herr.«
Die Hände des Grafen wirkten sekundenlang unsicher, als er die struppige Mähne streichelte. »Du bist alt geworden, alter Junge. Alt und müde.« Sein Blick kehrte zu Gerald zurück. »Ich will Salomo noch heute sehen. In zwei Tagen ist mein … Todestag. Bis dahin muss ich sicher sein, dass sie mich noch liebt. Verstehst du das?«
»Ja Herr.«
»Das kannst du gar nicht!«
Gerald schüttelte heftig den Kopf. »Eure Frau lebt, meine Eltern sind tot. Ich vermisse sie, ich war nicht bei ihnen, als sie mich gebraucht haben. Ihr habt Hoffnung!«
»Holla, der junge Schmied hat seinen Trotz nicht verloren. Nur weiter!«
»Meine Eltern«, er schluckte, »Adalbert, Berta, Agnes, die Liste der Toten ist lang.«
»Agnes? Eine Nonne?«
Gerald sah den Grafen verwirrt an. »Kennt Ihr sie?«
Udalrich starrte ins Leere. »Vielleicht. Ich muss mit Salomo reden. Heute noch, jetzt noch!«
»Ich beeile mich!«, beteuerte Gerald. Er winkte seinem Onkel zu. »Leb wohl, Ohm! Ich komme bald wieder!«
Der Alte grinste und nickte. Gerald brach den Pfeil, der im Wagen steckte, am Schaft ab und schwang sich auf den Kutschbock. Er fühlte sich, als wäre ihm eine zentnerschwere Last von den Schultern gefallen. Seine Eltern waren gerächt. Und der Graf hatte ihm vergeben. Die Zukunft gehörte wieder ihm.
Der Wald warf bereits seine langen Schatten, als Sigurd wieder in die Hütte trat. Udalrich sprang von der schmalen Pritsche, stieß den Alten beiseite und stürmte ins Freie. In der Dämmerung des Waldes erkannte er die Umrisse eines Wagens. Zögernd blieb er stehen.
In diesem Augenblick kam ihm eine Gestalt mit ausgebreiteten Armen entgegen. »Gott der Herr hat meine Gebete erhört! Udalrich! Ich kann Euch gar nicht sagen, wie glücklich mich Euer Anblick macht!«
»Salomo, alter Freund! Ich weiß nicht, was ich sagen soll!«
Die beiden Männer standen eine Armlänge voneinander entfernt und sahen sich an. Endlich fielen sie sich stumm in die Arme. Salomo küsste beide Wangen des Grafen.
»Ich habe Wein mitgebracht«, sagte er, als sie sich aus der Umarmung lösten. »Ich habe mir gedacht, dass Ihr schon sehr, sehr lange Verzicht geübt habt. Kommt!«
»Wo ist der junge Mann?«
Salomo zwinkerte. In der Dämmerung des Waldes sah sein Gesicht aus wie das eines alten Fauns. »Vorbereitungen treffen. Aber ich habe einen anderen Vertrauten mitgebracht. Meinen Sekretär, Bruder Eckhard.« Er winkte dem Mönch, der den Kopf vor Udalrich neigte. »Graf Udalrich. Es ist mir eine große Ehre, Euch zu begegnen.«
Udalrich erwiderte den Gruß. Dann befahl er Sigurd, sich um das Pferd zu kümmern, und führte die
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