Die Herren von Buchhorn
tot, Herr.«
»Tot?«
Gerald senkte den Blick. »Ja, Herr.«
»Gott sei seiner armen Seele gnädig.« Udalrich schwieg lange, endlich beugte er sich vor und holte unter der Pritsche ein Schwert hervor. Seine Hand strich über die schartige Klinge. »Ein Ungarnschwert. Mein eigenes blieb auf dem Schlachtfeld zurück, nachdem mich ein Pfeil niedergestreckt hatte. Die Ungarn haben Adalbert und mich gefangen genommen. Sie haben uns geschlagen und gefoltert. Er hat keine Sekunde gezögert, mein Schicksal zu teilen. Jetzt habe ich ihm doch den Tod gebracht.« Er sah Gerald prüfend an. »Du bist alt genug für die Liebe. Hast du eine Frau gefunden, die du liebst?«
»Ja, Herr.«
»Dann halt sie fest. Die Liebe hat mich am Leben gehalten. Aber jetzt bin ich hier, und meine Frau ist Nonne. Mein einziger Freund ist tot. Ich bin daheim und muss mich in einem Kohlenmeiler verstecken. Das Schicksal treibt grausame Scherze mit uns Sterblichen.« Er lachte kurz auf und starrte ins Leere. »Ich bin immer noch ein Gefangener.«
»Aber Herr, Ihr habt Freunde, die …«
»Wo ist der Köhler?«
Gerald nutzte die Gelegenheit, auf die Füße zu springen. Sein Knie war steif und schmerzte. Suchend sah er sich nach dem Alten um, doch er und seine Keule waren verschwunden. »Er holt mein Pferd, denke ich.«
»Nein!« Udalrich packte sein Schwert mit beiden Händen. »Er hat etwas bemerkt.« Er sah Gerald an. »Wie viele?«
»Wie? Ach so. Zwei mindestens.«
»Sind sie dir gefolgt?«
»Ich habe niemanden gesehen, aber im Boden waren Spuren.«
»Bist du geritten?«
»Nein, mit einem Karren gekommen.«
»Also sind sie dir gefolgt!«
In diesem Augenblick erschien Sigurd auf der Schwelle. »Herr! Die Blätter sagen, vom See her kommen Schurken. Dich …«, er zeigte auf Gerald. »… haben sie nicht gemeint. Sondern die da draußen!«
»Wie viele? Haben die Blätter dir auch das geflüstert?«, fragte Udalrich ohne Spott.
»Sie haben von mehreren Pferden geflüstert.«
»Ich rechne mit zwei oder drei«, mischte sich Gerald ein.
»Nur?« Udalrich schüttelte den Kopf und trat an die Tür. »Solche Narren sind die Welfen nicht.« Angestrengt starrte er in die Unwegsamkeit des Waldes. »Du siehst wie ein Kämpfer aus, junger Mann. Bist du bereit?«
»Gewiss, Herr.«
»Dann hol dein Pferd!«
»Was?«
»Hol – dein – Pferd!«
Als Gerald sich abwenden wollte, packte Sigurd ihn am Arm. Seine unheimlichen Augen sogen sich an seinem Gesicht fest. »Doch doch, die Nase vom Vater, die Augen von der Mutter. Vielleicht bist du’s.«
Geralds Blick huschte zu dem Grafen. Udalrich hatte die Stirn gerunzelt und musterte den jungen Mann forschend. Der blickte hastig zur Seite. »Warum begleitet Sigurd mich nicht? Das wäre noch unauffälliger.«
»Tu, was ich dir sage! Geh zu deinem Wagen, als wolltest du Kohle aufladen. Wer immer da draußen ist, darf keinen Verdacht schöpfen. Noch nicht.«
»Ja, Herr«, antwortete Gerald und beeilte sich, dem forschenden Blick des Grafen zu entkommen.
Als Gerald Wildfang noch immer da stehen sah, wo er ihn zurückgelassen hatte, atmete er erleichtert auf. Er fasste die Zügel und zog das Pferd mit sich. Der Karren rumpelte über eine Baumwurzel. Wildfang schnaubte, und Gerald griff unter sein Wams, wo er das Heft des zweiten Messers fühlte. Seine Muskeln waren gespannt, als erwarte er jeden Augenblick einen Angriff aus dem Gebüsch. Aber nichts rührte sich. Dennoch wurde er immer nervöser, je mehr er sich wieder der Hütte näherte. Auf der Lichtung fühlte er sich schutzlos und ausgeliefert. »Was haben die vor?« Er blickte zur Hütte, aber auch dort rührte sich nichts. »Was hat der Graf vor?« Er brachte den Wagen zwischen Meiler und Hütte zum Stehen und zog vorsichtig sein Messer.
»Endlich!«
Gerald fuhr zu der Stimme herum. Erst auf den zweiten Blick erkannte er unter dem rußgeschwärzten Mantel den Grafen.
»Lad auf.«
Gerald schluckte und kroch wortlos in den Meiler, in dem ein Haufen Holzkohle und ein paar Säcke lagen. Mit zusammengekniffenen Augen füllte er sie und reichte sie durch das enge Loch. Der Hustenreiz quälte ihn, und seine Augen tränten.
Udalrich schwang den ersten Sack auf seinen Rücken, dann wuchtete er plötzlich den zweiten vor die Brust. »Bleib da!« Er drehte sich um und brüllte zum Wald: »Wollt ihr mich? Hier bin ich.«
Ein Pfeil schoss sirrend durch die Luft und blieb in dem Sack stecken.
»Feiges Pack!« Udalrich ließ die Säcke fallen und
Weitere Kostenlose Bücher