Die Herren von Buchhorn
es eine Prozession sein. Zu Ehren unserer Gräfin!«
»Nein, nicht. Ich bin Inkluse.«
»Ihr seid meine … unser aller Gräfin.«
Wendelgard wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht und sah der Köchin liebevoll in die Augen. »Vielleicht hast du recht. Heute bin ich beides. Morgen nur noch das eine.« Sie drehte sich zu Salomo um, aber der Bischof zuckte nur die Achseln. »Dann lasst uns die Prozession beginnen!«
Sie begaben sich in den Hof, wo Salomos Kutsche bereitstand. Sie sah sich um, konnte Ludowig aber nirgends entdecken. Als Salomo sie zum Wagen führen wollte, schüttelte sie den Kopf. »Ich gehe zu Fuß.«
»Den ganzen Weg?«
»Bitte! Es ist mein Tag. Fahr du im Wagen.« Ein Schatten ihres alten Lächelns schimmerte kurz auf. »Du weißt doch, dass eine Klausnerin allen weltlichen Genüssen entsagen muss.«
»Dann gehe ich mit dir.«
Sie reichte ihm schweigend die Hand, und der Zug setzte sich in Bewegung.
Ludowigs Hände zitterten, als er das Schwert in Empfang nahm. Er drehte es ins Licht und begutachtete es. »Es ist wirklich nicht von hier. Udalrichs Schwert. Und er ist ganz sicher tot?«
Der Junge zog die Nase hoch. »Ich kann nur sagen, was Eure Männer mir aufgetragen haben. Und das war ihre Botschaft: Der Graf ist tot.«
»Und sie sind in Argenau?«
Der Bengel nickte und ließ die Münzen, die der Junker ihm gegeben hatte, durch die Finger gleiten. »Wollten sich hier nicht blicken lassen, nicht mit den Wunden. Ach ja, und die anderen, die Schläger …«
»Red leise!«, zischte Ludowig und sah sich um. Ein paar Pferde hoben die Köpfe von ihren Futterkrippen. Der Junge sah neugierig zu ihnen hinüber.
»Was ist mit den … anderen?«
»Die sind tot. Euer Mann meinte, sie hätten Euch die Arbeit abnehmen wollen. Und Tote reden nicht, hat er gesagt.«
Ludowigs Augen blitzten auf. »Und wo liegen sie?«
»Im Teufelsbau. Ihr kennt das?«
»Ja. Hör zu, willst du deinen Lohn verdoppeln?«
»Klar, Herr.«
»Dann geh zu meinem Aufseher in der Gesindestube. Er heißt Wulfhard. Sag ihm, er soll die Toten sofort nach Buchhorn bringen. Da nimm! Lauf schon!«
Der Junge starrte auf den kleinen Haufen Münzen in seiner schmutzigen Rechten, dann grinste er, schniefte und stob davon.
Ludowig wartete, bis seine Schritte verhallt waren, dann legte er den Kopf in den Nacken und stieß einen Triumphschrei aus.
Der Zug nach Buchhorn hatte ungefähr ein Viertel des Wegs zurückgelegt, als Ludowig sie einholte. Er lenkte sein Pferd neben Wendelgard und schwang sich aus dem Sattel.
»Gute Nachrichten?«, fragte sie.
»Die besten. Vielleicht sogar für dich.« Er lächelte Salomo höflich zu. »Ich hoffe, Ihr verzeiht mir, wenn ich den Ablauf der Spende gleich ein wenig durcheinanderbringe?«
Der Bischof neigte nur den Kopf. Um seinen Mundwinkel zuckte es.
Wendelgards Blick huschte zwischen den beiden hin und her, aber keiner der Männer schien bereit, das Schweigen zu brechen.
»Ob es wieder so viele sind wie letztes Jahr?«, fragte sie endlich.
»Mehr«, antwortete Salomo. »Dieser Tag könnte eine feste Institution werden, ein Festtag.«
»Das wäre schön.«
Sie zogen den Hang hinunter und durch das Wäldchen, das Burg und Siedlung trennte. Erst jetzt erhielten sie eine Ahnung von dem Ausmaß des Festes. Wendelgards Augen begannen zu glänzen. Sie presste die Hände vor den Mund, als wollte sie einen Schrei des Entzückens unterdrücken. Von überall her waren die Menschen herbeigeströmt, ortsansässige und fahrende Händler boten Waren und Dienste feil, der Ort quoll über vor Menschen aus den entlegensten Gegenden der Grafschaft und darüber hinaus.
»Sieh nur, diese Menschen«, rief Wendelgard. »Du hattest recht, das sind ja viel, viel mehr!«
»Sie kommen deinetwegen.«
»Nein, nicht meinetwegen. Ich wäre glücklich, wenn sie für Udalrich kämen, aber wahrscheinlich wollen sie einfach nur feiern.«
Der Bischof drückte ihre Hand. »Sie bieten Fleisch und Bier umsonst. Es ist der Tag der Armen, und wer etwas besitzt, der verschenkt heute, was er entbehren kann. Sie folgen deinem Vorbild, Wendelgard.«
»Hat Gerald auch wirklich alles zur Kirche geschafft?«
»Natürlich. Mach dir keine Sorgen. Dieser Tag wird deine kühnsten Träume überbieten.«
Die Menschen machten sofort Platz, als sie die Gräfin an der Hand des Bischofs kommen sahen. Überall wurden spontane Hochrufe laut.
Wendelgard spürte, dass sie errötete. »Die vielen Menschen machen mir
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