Die Herren von Buchhorn
beiden Männer in die Hütte.
Salomo setzte sich an den Tisch und bot Udalrich mit einer Handbewegung den zweiten Stuhl an. »Wir müssen ernsthaft miteinander reden. Aber sagt mir erst, wie Ihr entkommen seid. Die Flucht muss für einen einzelnen Mann mörderisch gewesen sein.«
»Zwei Männer!« Udalrich hieb mit der Faust auf den Tisch. »Adalbert und ich! Er hat jeden Schlag, jede Demütigung mit mir geteilt. Bis zuletzt! Wäre er nicht bei mir geblieben, er hätte sich sogar die Gefangenschaft erspart.« Udalrich presste die Lippen zusammen. Die beiden Geistlichen warteten stumm. Endlich fuhr der Graf fort: »Die Ungarn wurden nachlässig. Eines Tages gelang es uns, die Wächter zu überwältigen. Irgendwann haben sie die Verfolgung aufgegeben, und wir sind weitergezogen. Zu Fuß, zu Pferd. Ich weiß nicht, wie wir durchgehalten haben. Dann begriff ich, dass ich als tot galt, und da wurde mir auch klar, dass nicht jeder über meine Rückkehr glücklich sein würde.« Er lächelte bitter. »Also hab ich mich durch mein eigenes Land geschlichen wie ein Dieb. Und ich hatte recht. Irgendwann hab ich Adalbert vorgeschickt. Wir wollten uns wieder treffen. Als er nicht kam, habe ich mich auf eigene Faust auf den Weg gemacht.«
Salomo schob ihm einen Becher hin. »Trinkt einen Schluck, mein Freund.« Er sah Udalrich zu, wie dieser den Becher in einem Zug leerte. »Diese Zeiten sind vorbei, sprechen wir lieber über das Heute. Die Welfen gieren nach Eurem Land.«
»Ha! Natürlich!«
Salomo beugte sich vor. »Aber haben sie auch das Töten angeordnet? Ich habe da einen anderen Verdacht. Leider war Bruder Eckhard nicht sehr erfolgreich, als er Näheres über Schwester Agnes in Erfahrung bringen sollte.« Er musterte Udalrich scharf. »Gerald hat angedeutet, Ihr wisst etwas über sie? Wir vermuten, dass sie Ludowig geliebt hat und deshalb die Spange für ihn gestohlen hat. Dann hat sie Selbstmord begangen. Ihr lächelt?«
Udalrich schenkte sich Wein nach und trank, diesmal in ruhigeren Zügen. »Ja, sie hat ihn geliebt«, sagte er. »Wie sollte sie nicht? Er war alles, was sie hatte.« Er lächelte wehmütig. »Er war ihre ganze Familie.«
»Familie?«, riefen Salomo und Eckhard gleichzeitig.
»Familie«, bestätigte Udalrich. »Agnes war Ludowigs Schwester. Ich verdanke diese Information der unstillbaren Neugier, die mich als Junge dazu gebracht hat, an Türen zu lauschen. Die Mutter Oberin des Stifts von Lindau hat damals meinen Vater über das Findelkind unterrichtet und ihn gefragt, ob er die Eltern kenne. Er wusste es sehr gut, denn er kannte den Kindsvater persönlich. Die alte Geschichte: ein Edelmann, der eine Magd schwängert. Später hat er ihr das Kind weggenommen und den frommen Schwestern übergeben. Ich nehme an, es war seine Art, für seine Bastardtochter zu sorgen. Er hatte einen kleinen Sohn damals.«
»Ludowig!«
»Genau der!«
»Und Ihr seid sicher, dass es sich um diese Agnes handelt?«
Udalrich sah Salomo nur mit hochgezogenen Brauen an.
»Ihr habt recht, der Zufall wäre zu groß. Ludowig muss sich also mit Agnes in Verbindung gesetzt haben. Und sie hatte endlich eine Familie. Das arme Kind!« Salomos Stimme versickerte in der Erinnerung an seinen eigenen Fehltritt.
»Aber der Vater hatte nicht den Mut, sich zu diesem Kind zu bekennen, wie andere, ehrbare Männer das zu tun pflegen«, sagte Udalrich warm.
Salomo schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
»Und wie soll es jetzt weitergehen?«, fragte der Graf nach einer Pause. »Ich muss etwas tun! Ich ertrage die Untätigkeit nicht mehr!«
Salomo blickte Eckhard aufmunternd an. Der Sekretär trat an den Tisch. »Nach Lage der Dinge ist es für Euch zu gefährlich, Euch offen in Buchhorn zu zeigen, Graf. Ihr müsstet jederzeit mit einem Mordanschlag rechnen, ob aus Verzweiflung oder aus Berechnung.«
»Ihr meint damit Ludowig oder die Welfen?«
»Beide. Sie müssen sich sicher fühlen. Das können sie erst am Tag der Armenspende, wenn sie damit rechnen, dass Wendelgard wieder in die Klause zurückkehrt.«
»Ich will meine Frau sehen!«
Eckhard schüttelte den Kopf. »Vergebt mir, Graf, aber genau das darf nicht geschehen, nicht vor diesem Tag! Ludowig will über Eure Gemahlin die Grafschaft an sich reißen. Oder über Eure Kinder. Dieses Ziel glaubt er fast erreicht. Wenn Wendelgard auf ihre Kinder verzichtet, muss ein Vormund berufen werden.«
Udalrich sprang auf. »Wendelgard würde nie …«
»Udalrich!« Salomo hob beschwichtigend
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