Die Herrin der Flammen
sein«, meinte sie. Sie konnte mit Sicherheit davon ausgehen, daß Zip den Thronräuber nie kennengelernt hatte und nichts von dem verschlagenen Verstand des alten Generals wußte. Theron wollte Freistatt als Bastion an Rankes Südgrenze. Nichts würde ihn überzeugen können, daß es besser wäre, die Stadt aus der eisernen Faust des Reiches zu lösen. Auch nicht die Hinrichtung des rechtmäßigen Erben der Krone, die er sich angeeignet hatte.
Doch das würde Zip nicht verstehen. Er war ein Kämpfer, kein Politiker.
»Unnötig, meine ganzen Leute mitzubringen«, entgegnete Zip. »Ein kleiner Trupp – zwei oder drei – sind genug, um hineinzuschleichen und zu tun, was getan werden muß.«
Chenaya trat näher. Sie war fast so groß wie Zip und hatte fast ebenso breite Schultern. Wieder atmete sie seinen Geruch ein und biß sich auf die Lippe. »Ein kleiner Trupp für den Prinzen und seine Fischliebste«, stimmte sie zu und nickte mit dem Kopf wie eine geduldige Lehrerin, deren Schüler sich Mühe gibt, aber etwas beschränkt ist. »Die übrigen werden sich jedes einzelnen Beysibers im Palast annehmen – und wer sich sonst in den Weg stellt.«
Ganz offensichtlich überschlugen sich die Gedanken in seinem Kopf. Er warf einen raschen Blick auf seinen Mann an der Tür. Der hatte jedes Wort gehört, und seine Augen glänzten vor Eifer, aber er verhielt sich still. Zip stiefelte hin und her und zertrat Tonscherben unter den Sohlen. »Und die Garnison?« fragte er. »Wie sieht’s mit einem Fluchtweg aus? Wie mit bewaffnetem Widerstand im Palast?«
Chenaya lachte verächtlich. »Tempus hat mir gesagt, daß du ein Mann bist, der weiß, wann man zuschlagen muß. Aber du hörst dich mit deinen endlosen Fragen wie Molin Fackelhalter an.«
Zip verstummte, stapfte jedoch weiter hin und her.
»Würdest du es tun, wenn Tempus euch führt?«
Er blieb mitten im Schritt stehen und blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Er sagte auch jetzt nichts, aber es war unübersehbar, daß ihm Fragen auf der Zunge brannten.
Sie spuckte verächtlich, doch um Mama Bechos willen direkt auf Zips Stiefel. »Ich bin alles, was Tempus ist, Liebster«, sagte sie in grimmigem Spott über sein Zittern. »Und mehr. Vielleicht glaubst du das jetzt noch nicht, aber du wirst es bald.« Sie wandte ihm den Rücken zu und ging zum Schankbrett. »Hast du Würfel?« fragte sie Mama Becho.
Die alte Frau langte in ein Regal und brachte zwei vergilbte Elfenbeinwürfel zum Vorschein. Chenaya winkte Zip herbei. »Würfle«, befahl sie. »Die höheren Augen gewinnen.«
Er musterte sie und zögerte. Ihre Blicke hielten einander herausfordernd. Schließlich warf er die Würfel. »Elf«, stellte Chenaya fest. »Nicht schlecht.« Dann würfelte sie. »Zwölf.« Zip langte wieder nach den Würfeln und strahlte, als sie erneut mit elf schwarzen Augen liegenblieben.
Chenaya schaute gar nicht nach, als sie gewürfelt hatte.
Zip blinzelte.
Zwölf!
»Ich kann nicht geschlagen werden«, erklärte sie Zip, ohne den Blick von ihm zu nehmen. »Auf keine Weise!«
»Das nimmt dem Leben jeden Reiz, nicht wahr?« entgegnete er trocken.
Sie warf einen Blick über die Schulter. »Ruf deinen Mann«, befahl sie.
Zip tat es.
Der Mann, den sie mit dem Wurfstern fast rasiert hätte, kam herbei. »Wie wär’s mit dem schwarzen Fleck an der hinteren Wand«, sagte sie. Der Mann warf seinen Gürteldolch. Ein Messer aus ihren Stiefelschäften folgte. Es waren zwei gute Würfe, aber ihrer war dem Auge des Flecks näher.
»Gut, du hast also Glück und Geschicklichkeit«, sagte Zip. »Das heißt aber nicht, daß du dich mit dem Gott – oder Fluch, was immer es ist – des Geheimnisvollen messen kannst.«
Sie rollte die Augen und stieß einen langen Seufzer aus. »Ich wette um einen Kuß mit dir«, sagte sie schließlich. »Kennst du Rat-die-Zahl?« Sie wartete, bis er nickte. »Geh ans obere Ende des Schanktischs und kratz irgendeine Zahl zwischen eins und zehn ins Holz. Nein, wart. Machen wir’s spannender, zwischen eins und fünfundzwanzig.«
Mama Becho watschelte mit fliegendem Haar herbei. »O nein, das werdet ihr nicht!« schrie sie. »Ihr schneidet mir nicht in mein schönes Brett! Gar nicht so leicht, gutes Holz zu kriegen.«
Chenaya zog ihren Beutel vom Gürtel und leerte ihn auf die Theke. Die Münzen rollten in alle Richtungen. Sie ließ den leeren Lederbeutel auf das Häufchen fallen, das in der Mitte liegengeblieben war. »Mama«, sagte sie bedrohlich
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