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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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zu ihrer Herrin um. Derweil grunzte die kleine Selmina genüsslich, als stimme sie allem zu, wenn sie nur weiter an dem gereichten Finger saugen durfte. Erna, die nun etwas entspannter war, begann nachzudenken.
    In der Tat, ihren beiden Töchtern ging es gut. Seit der Geburt hatten sie keine Atemaussetzer gehabt, wie sie häufig bei Neugeborenen auftraten und gar zum Tod führen konnten.
    »Aber wenn du zwischen all den Steinen rumwirbelst, gib wenigstens acht, dass die Schrammen verschwunden sind, bis dein Gatte wieder aus Meißen zurückkehrt. Ich glaube, Graf Ekkehard würde es nicht gefallen, dich versehrt vorzufinden.«
    Statt einer Erwiderung schaute Uta auf die kleine Luise in Ernas Armen. Von Luises einst kräftigem Haarstreif war gerade noch ein Flaum übrig geblieben. Ein Blick auf das Bündel in Katrinas Armen führte zum gleichen Ergebnis.
    »Sie verlieren die Haare?«, fragte Uta und atmete ein klein wenig auf. Rote Haare, Sommersprossen, erklang es aus weiter Ferne.
    »Die kommen wieder«, versicherte Erna und strich der kleinen Luise liebevoll über den weichen Schädel.
    Einen Augenblick lang sah Uta zuerst Volkard aus dem Hardagau und dann Esiko vor sich, der ihr diesen Vers ins Hirn gepflanzt hatte.
    Während Erna und Katrina die schlafenden Kinder ins Obergeschoss brachten, legte Uta träumerisch den Kopf zur Seite. Ob sie je beim Bau der Kathedrale hätte helfen dürfen, wenn ihr das Unglück im Ballenstedter Buchenforst damals nicht widerfahren wäre? Doch schon im nächsten Augenblick verwarf sie diesen Gedanken wieder. Stattdessen erinnerte sie ein Kratzen im Hals an die erfolgreiche Vermessung der neuen Domherrenhäuser und brachte ihre Augen zum Glänzen.
    Als die Freundin und das Kammermädchen an den Tisch zurückkamen, beugte sich Uta vor. »Du meinst also auch, ich soll mir die Sachen nähen lassen?«
    »Ich meine nur, dass du auf dich aufpassen sollst«, erklärte Erna und blickte die Freundin liebevoll an.
    »Danke, liebe Erna«, hauchte Uta. »Danke, dass du an meiner Seite bist.«
    Die ersten Karrendienstler erreichten die Naumburger Baustelle im dritten Mondumlauf des neuen Jahres. Überdies kamen Pilger nach Naumburg, um den heiligen Schleier zu betrachten. Einige von ihnen brachten Eisen in Form von Fußfesseln und Ketten mit und übergaben diese dem Werkmeister, damit er sie zu Werkzeugen verarbeiten ließ. Inzwischen waren die Arbeiten an den Domherrenhäusern in Gang gekommen. Doch Zimmerleute, Steinmetze und Maurer trafen nach wie vor nur vereinzelt ein.
    Gerade jetzt, wo jede Hand benötigt wurde, versuchte Uta, den Bau zu unterstützen, wo sie nur konnte. So hatte sie erfahren, dass die Transportkarren auf den Wegen oft im Regenschlamm stecken blieben und das Baumaterial auf der Baustelle dadurch knapp wurde. Weshalb sie trotz der Tatsache, dass Baustellen anderenorts im Winter brachlagen, vorgeschlagen hatte, die kalte Jahreszeit gerade wegen der hartgefrorenen Böden für den Transport zu nutzen. Fast ihre gesamte Zeit nach dem Morgengebet und der Nachmittag gehörte der Baustelle und der gemeinsamen Arbeit mit Meister Tassilo, der ganze Nächte über seinem Reißbrett brütete, um neue Zeichnungen zu erstellen. Immer ein Jahr im Voraus, hatte der Markgraf gewünscht. Gemeinsam schritten sie täglich zwischen Pfählen, Fundamentgruben und Schüttgut umher, um den Arbeitsstand und -fortschritt zu überwachen und die Handwerkergruppen und Karrendienstler anzuweisen. Die Bauskizzen waren dazu unabdingbar, gerade weil sie auf dem Pergament nur von wenigen Bauleitern und einigen pfiffigen Gewerkmeistern gedeutet werden konnten und deshalb vereinfacht in den Sand gezeichnet und erklärt werden mussten.
    Die Zeit der Dämmerung, wenn die Sicht auf der Baustelle schlechter und die Arbeiten niedergelegt wurden, gehörte der Verwaltung der Burg, den unzähligen Listen und Absprachen mit dem Vogt. Den Beginn der Nacht nutzte Uta, um in der kleinen Burgkirche zu beten. Ihre Gedanken an Hazecha waren ebenso Bestandteil der allabendlichen Fürsprache wie die Bitte um das Wohlergehen der Arbeiter und Helfer auf der Baustelle. Manchmal begleitete Katrina sie, der sie hin und wieder einen Abend freigab, denn sie wusste, dass das Mädchen gerne mit Ernas Zwillingen spielte.
    Mit einer ledernen Schütze über dem Obergewand, die ihren Körper von der Brust bis zu den Beinen bedeckte, lief Uta über die Baustelle. Sie bemerkte sofort, dass die Böden nun nicht mehr nur stellenweise, sondern

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