Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
Vom Netzwerk:
gewandt, ihr vom Klosterleben in Fulda und von seiner Errettung von der Ballenstedter Burg berichtet. Bruder und Schwester begannen, sich einander schriftlich anzunähern – denn als Uta Ballenstedt verlassen hatte, war Wigbert gerade einmal zwei Jahre gewesen. Ihr zweiter Briefpartner war Hofkaplan Wipo. Der hatte sich nach ihrem Befinden und dem Baufortschritt der Kathedrale erkundigt und geschrieben, dass Berichte über die Kraft des Schleiers der Plantilla schon bis nach Mainz gedrungen wären.
    »Meister Tassilo«, sprach Uta den Werkmeister an. »Mich bedrückt nach wie vor die geringe Anzahl von Handwerkern, die bisher zu uns gefunden haben.«
    »Dem Markgrafen hatte ich zugesagt, bis zum Ende des vergangenen Jahres alle notwendigen Handwerker hierzuhaben«, gestand Tassilo und legte die Stirn in Falten.
    »Was können wir nur machen?«, fragte Uta ratlos und erwiderte gleichzeitig den Gruß von Maurermeister Joachim und Lehrjunge Matthias, die eine Karre mit vorbehauenen Steinen an ihnen vorbeischoben, mit einem Nicken. »Liegt unsere Baustelle denn so nah am gefährdeten Grenzgebiet, dass niemand den Weg zu uns wagt?«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen«, entgegnete Tassilo und prüfte aus der Ferne den Baufortschritt der Fundamente des Ostchores. Man hob inzwischen das Loch für die Kryptamauern im Westen aus. »Dann kann es nur der Sold sein!«
    »Aber ich habe in den Schreiben allen einen guten Sold zugesagt«, beteuerte Uta.
    »Auch für die Steinmetze?«, fragte Tassilo und zog die Brauen nach oben.
    »Die Steinmetze erhalten pro zugeschlagenen Stein einen halben Pfennig. Als Richtwert für den Stein hatte ich drei Fuß Länge und jeweils eineinhalb Fuß Breite und Tiefe angegeben«, erinnerte sich Uta an die unzähligen Schreiben und zog das Lederband ihrer Schürze auf dem Rücken straffer.
    Abrupt blieb Tassilo stehen. »Einen halben Pfennig pro Stein?«, wiederholte er überrascht.
    Uta nickte nervös und fuhr verunsichert fort: »Einem guten Steinmetz wird es sicherlich gelingen, alle sechs Seiten an einem Tag in eine winkelgerechte Form zu bringen. Das bedeutet, er kann ganze fünfzehn Pfennige pro Mondumlauf verdienen.«
    »Auf meiner letzten Baustelle erhielten die Maurer, Zimmerer und Schmiede ganze vier Pfennige pro Tag. Die Steinmetze bekamen sogar das Zehnfache von Eurem Angebot, nämlich fünf Pfennige pro Tag«, erklärte er nach einem längeren Schweigen.
    Uta erstarrte. »Da… da… dann ha… habe ich mich ver… ver … verrechnet!«
    »Ihr habt Euch um eine Kommastelle geirrt«, rechnete Tassilo nach. »Bei fünf Pfennigen pro beschlagenem Stein anstatt lediglich einem halben, bekämen die Steinmetze einhundertfünfzig Pfennige pro Mondumlauf. Das ist ein angemessener Sold.«
    »Gott steh mir bei, dass ich meinen Fehler wiedergutmachen kann«, bat Uta entsetzt. »Wegen mir kommen wir langsamer voran als von Markgraf und Kaiser befohlen!«
    »Wir haben inzwischen vierzig Karrendienstler zusätzlich zu den Arbeitern«, entgegnete Tassilo beschwichtigend. Aber Uta ließ sich nicht beruhigen. »Ich muss sofort neue Anwerbungen versenden!« Entsetzt schlug sie die Hände vors Gesicht. Bis die Schreiben ankommen und die ersehnten Handwerker auf der Baustelle eintreffen würden, verstrichen sicherlich weitere Mondumläufe.
    »Mein heiliger Gott, mein heiliger, starker Gott, mein heiliger, starker und unsterblicher Gott, erbarme Dich unser!«, hallten die Worte von Pater Wolfhag zur Empore der Stiftskirche hinauf. »Dir sei Lob, Dir sei Ehre, Dir sei Dank in alle Ewigkeit, heilige Dreifaltigkeit!«
    Erschöpft von den vergangenen sieben Tagen, die sie auf dem engen Karren ausgeharrt hatte, presste Margit die Knie dennoch fest auf den Boden und wiederholte die Sätze, die zu ihr und ihren fünf Naumburger Schwestern hinaufdrangen. Nachdem Pater Wolfhag das Tagesgebet und den Segen gesprochen hatte, erhoben sie sich. Margits Blick fiel auf die Gruppe an Sanctimonialen neben ihr, die den Worten des Paters gelauscht hatte und nun ebenfalls die Empore hinabstieg. Befremdet betrachtete sie die Schwestern, die schleierlos und mit steil aufragenden Flechtfrisuren an ihr vorbei dem Ausgang des Gotteshauses zustrebten. Nur eine, die Margit wegen ihres olivfarbenen Teints und ihres Schleiers bereits auf der Empore aufgefallen war, schenkte ihnen Beachtung. »Es strahlt so viel Kraft aus«, meinte sie und deutete über das Treppengeländer zum Altar hin.
    Als Margit ihrer Geste folgte und die ferne

Weitere Kostenlose Bücher