Die Herrin der Kathedrale
ausführlich über Fortschritte, Pläne und besonders über Probleme in Kenntnis gesetzt werden.« Nur wenn er die Probleme kannte, konnte er für deren Eskalation sorgen. Und nur eine Eskalation konnte das Ansehen des Magdeburger Erzbistums schmälern.
Unwillkürlich erhob sich Hildeward und ging auf den Teppich an der gegenüberliegenden Wand zu. Begleitet vom Klingeln des Schlüsselbundes mit den zehn Schlüsseln des heiligen Schreins, kniete er vor dem Teppich nieder, faltete die blutigen Hände zum Zwiegespräch und begann, vor sich hin zu murmeln.
Aribo beobachtete, wie der Bischof mehrmals innehielt und lauschte, um dann wenige Augenblicke später erneut vor ihn zu treten. »Sie befürwortet Euer Ansinnen«, erklärte Hildeward und blickte dabei zum Wandteppich. Bald würde der Schleier wieder ihm gehören, nur ihm seine ganze Heiligkeit und Kraft schenken. Sie, Plantilla, würde seine Retterin – und er endlich frei sein, frei jeder Sünde!
Während die Flämmchen in den Talgschalen Schatten auf sein Gesicht warfen, musterte Aribo den Mann vor sich erneut.
»Dann soll es so sein!«, beschloss er mit befehlsgewohnter Stimme. Er, Aribo von Mainz, würde zu verhindern wissen, dass diese Kathedrale jemals fertiggebaut wurde.
Kaum dass die Kaiserin sich von der Tafel erhob, machte auch Esiko Anstalten, die Runde zu verlassen. »Ich wünsche Eurer Hoheit angenehme Nachtruhe«, sagte er mit tiefer Stimme und verbeugte sich vor Gisela von Schwaben. In dieser Position warf er einen kurzen Seitenblick zu der Äbtissin ihm gegenüber, die mit erhobenem Kopf zurücklächelte.
»Burgherrin, wollt Ihr mir die Kammer für die Nacht weisen?«, fragte die Kaiserin nach der formalen Verabschiedung an Uta gewandt.
»Gewiss doch«, bestätigte diese und war froh über die Möglichkeit zu einem vertrauten Gespräch. Doch als sich Ekkehard darauf neben ihr ebenfalls erhob, holte sie in Gedanken bereits die Schale mit der Herrgottsgnade unter ihrem Bett hervor.
Gisela erkannte die Absichten des Heerführers und fügte deshalb schnell hinzu: »Noch vor Mitternacht werde ich Eure Gattin aus meiner Kammer entlassen, Graf.«
Uta lächelte. Bereits während des vorangegangenen Blickkontakts hatte sie gespürt, dass die drei Jahre, die sie die Kaiserin nicht gesehen hatte, ihrer Vertrautheit keinen Abbruch getan hatten.
Nun verbeugte sich Ekkehard dankend, und Uta wies der Kaiserin die große Gästekemenate zu, die Katrina hergerichtet und zusätzlich liebevoll mit getrockneten Mohnblüten geschmückt hatte.
Nachdem sich die Kaiserin auf einem Stuhl niedergelassen hatte, stellte Uta ihr die Frage, die ihr seit der Ankunft des Kaiserpaares auf der Seele lag. »Ich hatte gehofft, auch Kaplan Wipo in Eurem Gefolge zu finden, Kaiserliche Hoheit.« Gisela legte die Stirn in Falten und bedeutete Uta, ebenfalls Platz zu nehmen. »Hofkaplan Wipo liegt danieder. Eine Schwäche, die ihn zu Ostern überkam, zwingt ihn noch immer aufs Lager.«
Uta fragte besorgt: »Steht es sehr schlimm um ihn?«
»Die Heilkundigen wissen es nicht genau«, erklärte Gisela und strich über ihr grünes, mit winzigen Perlen besticktes Gewand. »Wir müssen zuversichtlich sein. Bisher ist er noch jedes Mal gesundet.«
»Bitte richtet ihm meine besten Genesungswünsche aus«, bat Uta und spürte, dass die Kaiserin sie beobachtete.
»Ihr seid gewachsen, Uta«, sagte Gisela schließlich. »Euer neues Zuhause scheint Euch gutzutun.«
»Der Kathedralbau zieht uns alle in seinen Bann, fördert und fordert uns. Niemand kann sich ihm entziehen. Es ist ein Wunder«, berichtete sie begeistert, verschwieg Gisela jedoch, dass sie den Bau nur noch organisatorisch unterstützen durfte. »Markgraf Hermann und Meister Tassilo gehen nach einer ausgeklügelten Bauplanung vor«, fuhr sie fort. »Sie zeichnen für alle Bauabschnitte Grundrisse und Aufsichten und können so errechnen, wann und wo welche Arbeiter und was für Baumaterialien benötigt werden.«
Gisela nickte. »Auch auf der Baustelle für unsere Bischofskirche in Speyer sprechen sie von der Naumburger Kathedrale. Zehn Jahre sind keine lange Zeit für ein derart mächtiges Gotteshaus, aber mit modernen Methoden ist es wahrscheinlich machbar.«
»Wir werden es schaffen«, versicherte Uta und sah vor ihrem inneren Auge Hermann und Meister Tassilo mit den Bauzeichnungen in der Hand jeden Morgen die Baustelle inspizieren, so wie sie es selbst einst getan hatte.
»Und Eure Ehe?«, fragte Gisela unvermittelt,
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