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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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zur elterlichen Burg. Sie fragte sich, wie es so weit hatte kommen können, dass ihr ehemals so schönes Zuhause zu einer Geisterburg verkommen war. Sie sah das große Loch im Dach der schäbigen Kapelle, den betrunkenen Verwalter, der anscheinend alles andere tat, als die Burg zu verwalten, und entsann sich schließlich wieder ihrer ehemaligen Kemenate, die völlig leer gewesen war und nicht einmal mehr ein anständiges Leder am Fenster hängen gehabt hatte.
    »Wenn es weiter so regnet, müssen wir eine Rast einlegen, sonst brechen uns die Tiere zusammen. Der Schlamm macht ihnen sehr zu schaffen. Außerdem friert Ihr und müsst Euch unbedingt ausruhen!« Hermann, der vorangeritten war, während Arnold den Schluss ihrer Gruppe bildete, hatte sich zu Uta zurückfallen lassen und sah nun ihre Hände zittern. Obwohl ihre Gliedmaßen immer steifer wurden, überging Uta seine Sorge um sie. »Bis zur Dämmerung schaffen wir es noch zum Flüsschen Wipper«, sagte sie. »Dort gibt es sicherlich ein Gehöft, wo wir nächtigen können.« Nieselregen durchdrang ihren wollenen Umhang und ließ ihn bleischwer an ihrem Körper hinabhängen.
    Als die Dämmerung hereinbrach und die Wipper noch immer nicht in Sicht war, fielen Uta die Augen zu. Da war Hermann erneut an ihrer Seite und griff nach den Zügeln ihrer Stute.
    »Ihr seid ja völlig erschöpft!«
    Ruckartig öffnete Uta die Augen und blickte sich desorientiert um.
    »Wir rasten auf dem Hof dort drüben!«, befahl Hermann mit einem sorgenvollen Blick. »Die Wipper erreichen wir dann morgen. Ich reite schon einmal voraus und besorge eine Schlafgelegenheit mit einem Dach über dem Kopf für uns!«
    Als sich Uta und Arnold der Einzäunung des Gehöftes näherten, kam Hermann ihnen bereits zu Fuß entgegen. »Sie geben uns zwei Kammern.«
    Im Bauernhaus kam von einer Feuerstelle in der Mitte des Raumes eine Kinderschar zur Tür gerannt, um die edlen Fremden anzuschauen oder sogar anzufassen. Das Bauernpaar begrüßte die Reisenden freundlich und bat sie ans Feuer, an dem bereits ein Mann mit gebeugtem Rücken und faltigem Gesicht sowie eine ebenso alte Frau, wahrscheinlich sein Weib, saßen, die geduldig eine Schar Gänse fütterten. Ohne die Gäste nach ihren Namen zu fragen, teilten die Bauersleute ihr Schlachtfleisch mit ihnen.
    Uta war so erschöpft, dass sie meinte, nicht einmal mehr aufrecht sitzen zu können. Während sich Arnold und Hermann bereits zum zweiten Mal am Fleisch bedienten, ließ Uta sich ihre Kammer zeigen, die, wie sie von der Bäuerin erfuhr, sonst von ihren zwei Söhnen bewohnt wurde, die dieser Tage jedoch beim Lehnsherrn auf der Burg aushelfen mussten.
    Bevor die Bäuerin verschwand, dankte Uta ihr noch für das Richten des Strohsacks in der ansonsten leeren Kammer. Dann entledigte sie sich ihres Umhangs und nahm den Schleier und die Eheklammer ab. Einzig die grüne Vierkantspange ließ sie im Haar. Sie lächelte kurz, weil sie meinte, die Fingerspitzen Hazechas wieder auf ihrer Wange zu spüren, und ließ sich schließlich auf dem Strohlager nieder. Das Mondlicht, das durch das kleine Fenster in die Kammer fiel, erinnerte sie an das Strahlenbündel, das in der elterlichen Kapelle durch das Loch im Dach den Altar beschienen hatte. Wie Blitze tauchten nun die Bilder vor ihr auf: Zuerst sah sie den Bruder, wie er der Mutter ein Kissen auf den Kopf drückte. Dann erschien ihr Hazecha und wie deren kindlicher Körper ohnmächtig in der Gewandtruhe lag, und zuletzt meinte sie wieder Esiko zu erkennen, wie er auf seinem Bett lag und sich von den Knochen der Mutter anbeten ließ.
    Selbst nachdem die Geräusche im Erdgeschoss verstummt waren, drehte sich Uta auf dem Strohsack noch immer unruhig von einer Seite auf die andere. Würde ein Spaziergang sie vielleicht beruhigen? Uta erhob sich, öffnete die Tür und horchte in den Flur. Lediglich das Schnarchen der Bewohner und das Rascheln der Gänse im Stroh drangen zu ihr hinauf. Und so ergriff sie ihren Wollumhang, stieg in ihr Schuhwerk und lief die Treppe hinab. Auf dem Hof angelangt, hielt sie auf den Stall zu, wo neben einigen Ochsen und zwei Ackergäulen auch ihre Pferde dösten. Matsch und Stroh klebten unter ihren Schuhen, als sie sich ihrer Stute näherte. Sie strich dem Tier über den Hals und lehnte sich gegen seine warme Flanke. »Ach Mutter«, seufzte sie. Nun – wo Hazecha nicht mehr an ihrer Seite weilte – fühlte sie sich erneut mutlos und ausgelaugt. Sie begann zu weinen und ließ sich auf den

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