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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Unterlagen vor sich und überschlug die Zeit, die sie noch brauchen würde. Seit ihrer Rückkehr aus Ballenstedt vor zwei Mondumläufen hatte sie weitere Zeichnungen fertiggestellt und über der Planung für den dritten Bauabschnitt gesessen. Neben der Beschaffung von Arbeitskräften war sie nun auch noch für die rechtzeitige Bereitstellung der Baumaterialien für die Westtürme verantwortlich. Die Beschaffung der Baumittel für den Westchor plante dagegen Meister Tassilo und die für die Osttürme Hermann. »Einen Tag werde ich noch benötigen, Meister«, resümierte Uta schließlich und beugte sich tiefer über ihren Schreibtisch. Doch die Zahlen auf der vor ihr liegenden Wachstafel verschwammen und formten auf einmal Hermanns Gesicht. Zudem meinte sie, seine Stimme zu hören. Erst gestern hatte er vor der versammelten Runde im Burgsaal gestanden und von seinem Bittschreiben an den Kaiser gesprochen, in dem er diesen um Zins- und Handelsfreiheit für nach Naumburg zuziehende Kaufleute bat. Er hatte von einem Markt gesprochen, der direkt auf der Dombaustelle erwachsen sollte. Ein kleiner Markt zunächst nur, für den während der Bauzeit einmal pro Mondumlauf Steingut weggeschafft werden sollte, um den Handel zu ermöglichen. Lächelnd erhob sich Uta und trat vor das Fenster. Wie sanft die Natur doch ist, dachte sie, als sie eine Schneeflocke erblickte, die sich auf dem Glas zwischen zwei Fensterverstrebungen niedergelassen hatte. Uta neigte den Kopf und meinte, sogar die kristallenen Strukturen zu erkennen. Um die Flocke besser betrachten zu können, führte sie ihre Hand vor die Fensterscheibe. Die Flocke jedoch schmolz noch vor ihrer Berührung. Mit einem sehnsüchtigen Blick schaute Uta über die abendliche Baustelle zum Mond hinauf, der einen vollen Kreis zeigte. Dann griff sie nach dem Stückchen Pergament in ihrem Gewand, das ihr Katrina am Morgen überbracht hatte, und vergewisserte sich, dass Meister Tassilo ihr und dem Pergament keine Aufmerksamkeit schenkte. Zum unzähligsten Male faltete sie es, mit dem Rücken zu den Schreibtischen, auseinander und las lautlos: »Darf ich dich zu Vollmond in die kleine Burgkirche bitten? Lass uns dort gemeinsam beten. Dies diem docet .«
    Und ebenfalls zum unzähligsten Male fragte sie sich, ob sie Hermann in die Kirche folgen sollte. Seit ihrer Rückkehr aus Ballenstedt hatte sie ihn oft nur aus der Ferne auf der Baustelle gesehen. Sofern er für die Materialplanung oder die morgendlichen Besprechungen in der Turmkammer erschien, war stets auch Meister Tassilo zugegen. Anstatt Hermanns Nähe genießen zu können, hatte sie in den vergangenen Wochen den launischen Gatten, der nun an den Kaiserhof aufgebrochen war, ertragen müssen.
    »Macht doch einmal eine Pause, Gräfin«, empfahl Tassilo, der Uta ebenso liebevoll anschaute wie ein Vater seine Tochter oder ein Meister seinen Schützling. »Es ist ja schon Nacht. Vielleicht tut Euch etwas Abstand von der Planung gut. Tretet doch vor die Tür und atmet ein wenig frische Luft.«
    Verwundert schaute Uta den Meister an und ließ den Pergamentschnipsel unauffällig wieder in ihrem Gewand verschwinden. Ob er ahnte, was sie eben noch in ihren Händen gehalten hatte? Dann nickte sie Tassilo kurz zu und trat mit pochendem Herzen ins Freie. Es war eine klare Winternacht, die Kältewölkchen vor ihrem Mund aufsteigen ließ. Warum soll ich nicht gemeinsam mit ihm beten?, dachte sie und ging durch das seltsamerweise noch geöffnete innere Tor in die Vorburg und schaute zum fernen Ostchor hinter der Burgkirche hinauf. Ihr Gang beschleunigte sich wie von selbst.
    Die Hand an der Tür der kleinen Kirche, hielt sie inne und lauschte. Der Wind trug ein Flehen von der Kathedrale zu ihr hinüber – das ist Bischof Hildeward, war sie sich sicher. Selbst im Winter schien er jeden Abend vor dem Schleier zu beten. Solange er sich jedoch in der Kathedrale aufhielt, konnte er wenigstens nicht neben den Zeichentischen stehen und mit Argusaugen die Arbeiten in der Turmkammer überwachen. Verständnislos schüttelte sie den Kopf und öffnete schließlich die Tür. In der kleinen Burgkirche herrschte vollkommene Stille. Nicht einmal das Säuseln des Windes war hier drinnen zu hören. Uta blickte sich um. Die Kirche war menschenleer. Sie kniete nieder, machte das Kreuzzeichen und sprach ein kurzes Gebet für die Mutter, für Hazecha und für die Kathedrale. Dann schritt sie auf den Altar zu. Als sie dort auf den hellen Treppen, die zur Krypta

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