Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
Vom Netzwerk:
Herzen. Gemeinsam werden wir dafür sorgen, dass Euch Gerechtigkeit widerfährt.«
    »Mit wem redest du denn, Pferdebraut?« Notburga trat in den Türrahmen und schaute sich befriedigt im Raum um.
    Uta erhob sich und versteckte den zertretenen Wachsklumpen hinter dem Rücken.
    »Ihr zieht jetzt ans andere Ende des Flures, schön nahe beim Abtritt«, erklärte Notburga. »Unsere werte Äbtissin nimmt sich mit Eurer Zelle den Platz, der ihr zusteht! Und ich habe ihr beim Einzug geholfen. Das Ausräumen Eurer Sachen ging recht schnell. So viel besitzt Ihr ja nicht.«
    Uta schloss die Hand um die wächsernen Überreste und trat vor Notburga. »Macht es Euch nichts aus, Schwester Hathuis Regeln mit Füßen zu treten?«
    »Hathui Billung ist tot!« Notburga fixierte Uta scharf. »Jetzt sind die Vorstellungen von Äbtissin Adelheid unsere neuen Ideale und das sind nicht die schlechtesten. Ganz im Gegenteil.« Notburga grinste anzüglich. »Aber Euch ist sowieso ein anderes Leben als mir bestimmt, deshalb werdet Ihr die neuen Lektionen der Äbtissin nicht benötigen!«
    Mit diesen Worten verließ die Hildesheimerin die Zelle.
    Uta trat auf den Gang und schaute Notburga nach, deren Zopf bei jedem Schritt von einer Schulter zur anderen pendelte. Sie fand, dass deren Hals ohne Schleier noch länger und damit noch bedrohlicher wirkte. Dann schaute Uta auf die Wachsreste in ihren Händen. Nach dem Tod der Mutter hatte sie dank Schwester Hathuis Fürsorge zum ersten Mal wieder Hoffnung gefasst. »Ich werde Hathuis Regeln nicht mit Füßen treten«, flüsterte sie. Sie legte den Wachsklumpen zurück in die Ecke, wo sie ihn gefunden hatte, atmete tief durch und machte sich auf den Weg in ihre neue Zelle.
    Das gesamte vergangene Jahr über war Äbtissin Adelheid nur selten in Gernrode gewesen. Sofern sie einige Tage im Stift weilte, nutzte sie die Zeit, die Sanctimonialen mit Aufgaben zu versorgen sowie Pater Wolfhag für die Gottesdienste und die Memoria anzuweisen. Im Herbst hatte sie kaum zehn Tage am Stück in den Gernroder Mauern verbracht. Ihre angekündigten höfischen Unterweisungen beschränkten sich auf Ermahnungen bei Tisch, darauf, wie aufrecht der Rücken und wie gerade der Blick ihrer Schützlinge zu sein hatte, wann wem geduldig zu lauschen war und in welchen Situationen man lächeln musste. Vieles hatte sich geändert. Die Mahlzeiten waren üppiger geworden, die Gebetszeiten kürzer, die junge Griseldis war der Atemnot erlegen, zwei Schwestern einem Ehemann zugeführt worden, fünf neue Schwestern, ungefähr in Utas Alter, zur Gemeinschaft dazugestoßen.
    Uta seufzte und blickte aus dem Fenster der Schreibstube. Einige Stiftsdamen nutzten das aufstrebende Sommerwetter, um in Begleitung bewaffneter Schutzknechte im Wald außerhalb der Klostermauern spazieren zu gehen. Zuvor hatten sie sich von ihren Dienerinnen prächtige Frisuren flechten lassen. Diese waren in einem Nebenhaus untergebracht, aßen getrennt von den Sanctimonialen und hatten sofort zu ihnen zu eilen, sobald eines der Glöckchen erklang.
    Uta selbst trug das Haar lose unter dem Schleier und verzichtete wie Klara, Alwine und Radegunde auf das Mitführen einer Glocke, genauso wie auf das Halten einer Dienerin. Das Glöckchengebimmel war aus den Klostermauern nicht mehr wegzudenken. Die Schreibkammer war einer der wenige Orte, wo es nicht zu hören war. Uta war froh, dass die Äbtissin diesem Ort kaum Beachtung schenkte und sie dort ungestört lesen und schreiben konnte. Die Abschrift des Hortulus hatte sie zwei Mondumläufe nach dem Tode Hathuis fertiggestellt und sie Alwine für ihre Arbeit in der Krankenkammer geschenkt. Uta war überzeugt, die Verstorbene wäre damit einverstanden gewesen, schließlich hatte Schwester Hathui sie einst auch zum Kopieren des Buches ermutigt. Danach hatte Uta entsprechend Radegundes Hinweis begonnen, die Bücher über die Rechtsprechung durch den König und seine Sendboten durchzulesen, war aber noch nicht fündig geworden. Uta erlebte die Bücher am intensivsten, wenn sie ungestört war. So war es ihr an diesem Tag nicht ganz ungelegen gekommen, dass Radegunde mit den Vorbereitungen für die anstehende Abreise der Äbtissin beauftragt worden war, auch wenn sie einander in der Schreibstube zu stummen, angenehmen Kameradinnen geworden waren.
    Uta trat an den Tisch, zog den Hocker heran und konzentrierte sich. »Über die Anwendung des salischen Rechts Kaiser Karls« 3 , las sie den Titel des Buches, das von allen in der

Weitere Kostenlose Bücher