Die Herrin der Kathedrale
Äbtissin in die Arbeitskammer – einen Raum, in dem sich neben einem Kamin noch ein Schreibtisch und vier mit Leder bezogene Ebenholzstühle befanden. Adelheid winkte eine Quedlinburger Sanctimoniale heran, die ihr seit dem Frühmahl auf Schritt und Tritt folgte und eher Kammermädchen als Schwester zu sein schien.
»Wann schafft Ihr endlich die beiden angeforderten Pulte hier herein und entzündet den Kamin?«, herrschte Adelheid das offensichtlich verunsicherte Mädchen an, das daraufhin knickste und aus dem Raum lief.
»Vorsicht!«, schrie da eine Stimme im Flur vor der Kammer.
»Du rennst mich ja um, Mädchen. Mach doch die Augen auf!«
Äbtissin Adelheid trat der Frau im Türrahmen entgegen und begrüßte sie mit einer Umarmung. »Sophie, Schwester!« Die mit Sophie Begrüßte schaute dabei immer noch mit hochgezogenen Brauen dem Mädchen hinterher.
»Ja, ja, während meiner Abwesenheit scheint hier der Müßiggang eingezogen zu sein! Nun tritt aber ein«, bat Adelheid und deutete ins Innere der Kammer.
Uta sah, dass das Haar der Fremden, an die sie den Brief nach Gandersheim geschrieben hatte, im gleichen Rotton wie der Haaransatz der Äbtissin schimmerte. Nur dass die Gandersheimerin das Haar unter dem eher einem Schmucktuch ähnelnden Schleier anscheinend zu einem kronenartigen Gebilde aufgesteckt hatte, so dass sich der Stoff einen halben Kopf über dem Haaransatz wölbte. Auch ihre Haut wies den gleichen Gelbstich wie den ihrer leiblichen Schwester auf.
Nun entdeckte Sophie Uta und Notburga, die mit ihren Schreibutensilien in den Händen in der Ecke der Kammer standen und auf Anweisungen warteten. Adelheid war dem Blick der Schwester gefolgt. »Uta von Ballenstedt und Notburga von Hildesheim«, sagte sie und stellte mit dem nächsten Atemzug den wichtigsten Teil ihrer Familie vor: »Meine ältere Schwester Sophie, die allseits verehrte Äbtissin des Stifts in Gandersheim!«
Uta knickste höflich, Notburga demonstrierte mit einem strahlenden Lächeln ihre Freude über diese herausragende Begegnung.
»Die beiden sind unsere Protokollantinnen für heute«, ergänzte Adelheid und schaute wieder zu ihrer Schwester, die aufgrund ihrer straffen Haut mehrere Jahre jünger wirkte als sie. »Ich gedenke jedes Wort festzuhalten, damit wir es notfalls gegen sie verwenden können.«
Uta horchte auf. Gegen wen sollte etwas verwendet werden?
»Wir brauchen mehr Licht hier drinnen«, stellte Äbtissin Sophie fest. »Wir können eine Herzogin doch nicht im Dunkeln empfangen. Sonst glaubt sie noch, Schwester, dass es dir an genügend Wachs fehlt.«
Da kam die schüchterne Sanctimoniale mit einem hölzernen Pult auf dem Rücken in die Arbeitskammer zurück. Uta lächelte ihr aufmunternd zu und half ihr beim Absetzen des Möbels.
»Macht endlich den Kamin an, wir brauchen Helligkeit!«, herrschte Adelheid das Mädchen an und stellte ihr Szepter neben einen der Lederstühle, bevor sie sich auf ihm niederließ. »Und stellt das Pult dort vor die Wand. Wo bleibt denn nur das zweite?«
»Verzeiht, Äbtissin.« Das Mädchen wagte nicht, sich in der Kammer umzuschauen. »Der Alfred bringt alsgleich das zweite Pult, und Berta ist unterwegs wegen des Kamins, Äbtissin Adelheid.«
Nachdem die Pulte aufgestellt worden waren und das Feuer im Kamin flackerte, nahm auch die Gandersheimer Äbtissin Platz.
»Notburga! Uta! Geht zu den Pulten und bereitet die Schreibutensilien vor.«
»Sehr wohl, Äbtissin Adelheid«, bestätigte Notburga und sprang, noch während sie redete, hinter das Pult, das vom Feuer im Kamin erhellt wurde.
Uta trat an den zweiten Schreibständer, der einige Schritte von der Feuerstelle entfernt im Dunkeln lag, und begann, Kiele, Tintenfässchen und eine Schale mit Sand bereitzulegen. Auch wenn sie beim Kopieren in der Schreibstube des Gernroder Klosters noch nie Löschsand benutzt hatte, würde er hier gute Dienste bei der schnellen Trocknung der Tinte leisten.
»Sophie«, sagte Äbtissin Adelheid in feierlich anmutendem Ton. »Wir sind heute zusammengekommen, um unseren Kaiser zu stärken.« Sie erhob sich, als ob sie zu einer ganzen Versammlung von Äbtissinnen spräche. »Die Einbindung der Kirche in das weltliche Herrschaftssystem unseres Reiches ist für den Kaiser die wichtigste Stütze.« Eine Politik, die Adelheid und den anderen Äbtissinnen im Reich Macht und Einfluss versprach. »Diesen Einfluss auf den Kaiser lassen wir uns von den Herzögen nicht nehmen!« Damit machte sie eine
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