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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Gerechtigkeit nicht allein Gottes Aufgabe ist.
    Ich möchte den Vater vor Gericht bringen und hoffe auf deine Unterstützung in dieser Sache. Als Vorsteher des Ballenstedter Gerichts wird er sich niemals selbst als Mörder richten. Deswegen muss ich das Ballenstedter Gericht umgehen und mich an die nächsthöhere Instanz wenden: Herzog Bernhard II . von Sachsen, in dessen Gefolge du reitest. Esiko, Bruder, sei auch du der Mutter Fürsprecher und erwirke bei deinem Dienstherrn, dass ich ohne den Vater als Munt meine Anklage vorzubringen vermag. Gemeinsam können wir für Gerechtigkeit sorgen. Lass mich deine Zustimmung bald wissen.
    Gegeben zwei Tage vor dem Fest der heiligen Agnes, im Jahre 1023 nach des Wortes Fleischwerdung.
    Deine Schwester Uta
    Mit leuchtenden Augen schaute Uta auf das Pergament. Sollte der Bruder ihr helfen, musste die Mutter nicht mehr lange auf Gerechtigkeit warten. Am folgenden Morgen, so hoffte sie, würde der Brief im Umhang eines Ritters auf die Reise in den Norden des Reiches gehen, wo das Heer des sächsischen Herzogs den Winter über lagerte.
    Uta richtete sich vor der Bettstatt auf. Ein Seitenblick zu Adrianas Bett verriet ihr, dass die Hofdame tief und fest schlief; die Feierlichkeiten waren für alle erschöpfend gewesen. Sie faltete die Hände und begann zu flüstern: »Herrgott im Himmel, behüte meinen Bruder Esiko, auf dass ihn dieser Brief erreiche. Möge er mich im Kampf um Gerechtigkeit unterstützen und eine Möglichkeit finden, mir als Weib beim Herzog Gehör zu verschaffen.«
    Nach diesen Worten blies sie das Talglicht aus und legte sich wieder schlafen.
    Sie träumte, dass Erna und sie über eine blühende Narzissenwiese streiften.
    6  Zitiert aus: Walahfrid Strabo: Liber de cultura hortorum / Über den Gartenbau, Hrsg.: Schönberger, Otto, erschienen 2002 im Reclam-Verlag, S. 5.
    7  Zitiert aus: Walahfrid Strabo: Liber de cultura hortorum / Über den Gartenbau, Hrsg.: Schönberger, Otto, erschienen 2002 im Reclam-Verlag, S. 39.
    8  Im Folgenden der heutigen Sprache angepasst und gekürzt zitiert aus: »Sündenfall und Bekehrung des Vicedominus Theophilus« aus Hrotsvit von Gandersheim: Sämtliche Dichtungen, erschienen 1966 im Winkler-Verlag, S. 99.
    9  Im Folgenden der heutigen Sprache angepasst und gekürzt zitiert aus: »Sündenfall und Bekehrung des Vicedominus Theophilus« aus Hrotsvit von Gandersheim: »Sämtliche Dichtungen«, erschienen 1966 im Winkler-Verlag, S. 100.
    10  Ebda., S. 100–101.
    11  Ebda., S. 101.
    12  Ebda., S. 101–102.
    13  Ebda., S. 102–103.

5. DER KÖNIG
    Der Hausherr betrat sein Gotteshaus durch eine schmale, von Messdienern frei gehaltene Gasse. Bei jedem Schritt, der ihn dem Altar näher brachte, hallte das Klopfen seines gusseisernen Stabes auf dem Boden durch das Gebäude. Über dem faltenreichen Untergewand trug er eine Damastkasel, auf deren Vorder- und Rückseite ein goldenes Kreuz gestickt war. Von ähnlich aufwendiger Machart war die Bedeckung seines Hauptes – zwei auf dem Kopf stehende Schilde. Noch auffälliger war jedoch das Pallium, ein handbreites Band, das er sich als einziges von seinen Gewändern selbst angelegt hatte. Niemand außer ihm durfte das Band berühren, das in der irdischen Welt nur noch von an die zwanzig weiteren Erzbischöfen getragen wurde. Es war mit sechs schwarzen Seidenkreuzen bestickt, von denen drei mit Nadeln durchstochen waren, die die Kreuznägel Christi symbolisierten. Der Heilige Vater hatte die Lammwolle für das Pallium in einer Messe gesegnet und damit die Teilhabe seines Trägers an der päpstlichen Hirtengewalt konstatiert. Seit wenigen Tagen verging nun die sterbliche Hülle Benedikts VIII . unter Stein. Dreck zu Staub!, dachte Erzbischof Aribo von Mainz. Dieser wagemutige Laienpapst würde ihm keine Probleme mehr machen. Die christliche Welt lag von nun an ihm zu Füßen! Vor dem Altar angekommen, fixierte er das Evangelienbuch und wandte seinen gewaltigen Körper den Versammelten zu. Er war größer als jeder andere Erzbischof des Heiligen Römischen Reiches. Und größer als der neue, schwache Heilige Vater, der Bruder Benedikts VIII . und wie dieser ein Laienpapst.
    In der ersten Reihe im Langhaus standen die päpstlichen Legaten und die Erzbischöfe aus den angrenzenden Reichsteilen, dahinter die weltlichen Fürsten. Und alle schauten sie ihn erwartungsvoll an. Die Vorkirche, die sich nach Osten hin übergangslos an die Hauptkirche anschloss, war gefüllt mit

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