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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Er war gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass sie ihm erlauben würde, es sich anzusehen. »Doch. Natürlich.«
    Das Gussstück lag auf seiner Werkbank, deren versengtes Holz bereits durch hundert andere frisch gegossene Stücke schwarz verfärbt war. Eburovic wartete schweigend, während Breaca eine seiner kleinen Zangen zur Hand nahm und das heiße Gussstück in das Abschreckbad tauchte. Das Zischen des Dampfes war eines der typischen Geräusche, die untrennbar mit seinem Leben verbunden waren. Er schloss die Augen und ließ sich von dem Geräusch beruhigen. Als er die Augen wieder öffnete, hatte Breaca ihr Arbeitsstück zur Begutachtung auf die Werkbank gelegt und stand schweigend neben dem Schmiedeblock, während sie auf seine Meinung wartete. Mit einigem Widerstreben riss er seinen Blick von ihrem Gesicht los und heftete ihn auf die Werkbank und auf den Gegenstand, den sie gefertigt hatte.
    Wie die besten Stücke, so wirkte auch dieses täuschend einfach. Auf den ersten Blick war es eine kleine Speerspitze, nicht länger als sein Mittelfinger, mit einer langen, blattförmigen Klinge und einer Spitze, so scharf wie jede, die aus einer Gussform stammte. Es war ein Ding von grimmiger Schönheit, und Breaca hatte die Speerspitze ganz offensichtlich nach dem Vorbild der alten angefertigt, die er in seinem Arbeitsbeutel aufbewahrte und die noch von den Ahnen stammte und durch die Linie ihrer Mutter von Generation zu Generation weitervererbt worden war, bis Graine sie schließlich ihm, Eburovic, überreicht hatte. Er war beeindruckt von der Qualität der Arbeit und davon, wie viel Zeit Breaca sich genommen hatte, um die Proportionen richtig hinzubekommen und das Ganze zu vergrößern, so dass das Endergebnis um ein Drittel größer war als das Original. Gleichzeitig empfand er jedoch eine flüchtige Enttäuschung darüber, dass sie bei ihrem allerersten Abguss etwas so Einfaches und Gewöhnliches wie eine Speerspitze gemacht hatte. Er drehte die Speerspitze herum, um die Rückseite zu inspizieren und Zeit zu gewinnen.
    Und da entdeckte er die erste Besonderheit. Es war nicht nur eine Speerspitze; als Breaca sie auf die Werkbank gelegt hatte, hatte sie sie sorgsam so platziert, dass die Rückseite verdeckt war, und deshalb hatte er das Detail auf der anderen Seite nicht gesehen, das aus der Speerspitze zugleich eine Brosche machte - eine Brosche, gegossen im Stil seiner Vorväter, mit einer Vorderseite, die ein fein ziseliertes Muster aufwies, und mit zwei Löchern dahinter, durch die man eine Nadel schieben konnte, um das Ganze an einem Umhang zu befestigen. Es war so geschickt gemacht, dass Eburovic fühlte, wie warmer Stolz in ihm aufwallte. Breaca hatte in den Jahren des Zuschauens besser von ihm gelernt, als er jemals erwartet hatte, und dies hier war genauso gut wie alles, was er als sein erstes Werkstück hätte anfertigen können. Dann, als er das Gussstück wieder herumdrehte, entdeckte er die dritte Besonderheit, und da wusste er, dass seine Tochter ihn sogar noch übertroffen hatte. Wie die besten Kunsthandwerker, so hatte auch sie das Leben in Schlichtheit eingefangen und der Bewegung eine Form gegeben. Was er da vor sich sah, bewirkte, dass sich die feinen Härchen auf seinen Armen aufrichteten. Wenn man es in die eine Richtung hielt, war es noch immer eine Speerspitze, ein Ding, das für einen Krieger gemacht worden war. Hielt man es anders, löste sich das bogenförmige Muster auf der Vorderseite jedoch in etwas völlig anderes auf. Eburovic drehte die Speerspitze auf seiner Handfläche hin und her, um das Licht des Feuers einzufangen. Die Bronze schimmerte in der Hitze, und auf der Oberfläche, deutlich in plastisch hervortretenden Linien erkennbar, starb der Rote Milan der Coritani unter den mörderischen Klauen der kleinen, wilden, gelbäugigen Eule, die am Tage jagt - derjenigen, die Breacas Mutter im Traum erschienen war. Er, Eburovic, hatte den ganzen Winter über seine Rache lediglich im Traum erlebt. Seine Tochter dagegen hatte ihrer Rache eine Form gegeben und sie in Bronze gegossen.
    Er stand lange Zeit schweigend da. Die Worte der älteren Großmutter hallten in seinen Ohren wider. Sie befreit sich von ihrem Traum. Und du solltest das Gleiche tun. Dann endlich hob er den Blick. Breaca stand noch genauso da wie zuvor, ihre gesunde Hand noch immer auf dem Schmiedeblock, die andere locker herabhängend. Ihr Lächeln war verblasst, und ihr Gesicht hatte alle Farbe verloren und war jetzt

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