Die Herrin der Kelten
winzigen Knochen des Tieres erkennbar waren, das sie gefressen hatte. Beide Dinge, sowohl der Kieselstein als auch das Gewölle, hatten Graine bis in den Tod begleitet und waren neben ihren Leichnam auf die Plattform gelegt worden, wo sie den Krähen als Spielzeug dienten.
Die Sonne schien warm auf Eburovics rechte Schulter, als sie die Trümmer der Gebärhütte erreichten, die er damals erbaut hatte. Das Dach war wenige Tage nach dem Angriff der Coritani vollständig eingestürzt, und den Rest hatte der Winter besorgt. Eburovic war bisher nur ein einziges Mal wieder bei der Hütte gewesen und hatte dabei einen flüchtigen Blick auf einen rostroten Pelz erhascht, als ein Fuchs vor ihm herausgeschlüpft war, aber der Geruch war nicht stark genug gewesen, als dass das Tier schon lange dort hätte leben können, und er hatte die Hunde zurückgerufen, bevor sie über den Fuchs herfallen konnten. Heute folgte er seiner Tochter, während sie im Gänsemarsch an der Hütte vorbeiritten und dann den Pfad verließen, um nach rechts abzubiegen und auf das Dickicht zuzuhalten, das sich auf der Ostseite den Abhang hinaufzog. An dem Dickicht angekommen, wandten sie sich abermals nach rechts, um an seinem Rand entlang zu reiten.
Graines Gebeine waren auf der Plattform südlich des Dickichts aufgebahrt. Sie war mit einem Speer in der Hand gestorben, und die kleine Eule war die Hüterin ihrer Seele gewesen. Eburovic konnte sich kein besseres Totengeschenk vorstellen als die Brosche, die Breaca für ihre Mutter gemacht hatte. Er zwang sich, an die Brosche zu denken und sich die Form des Gussstücks vorzustellen, den Abdruck der in die Form eingeritzten Linien, und wie es ausgesehen hatte, als Breaca die Gussform zerschlagen hatte - alles, was es auch sei, nur um sich abzulenken und nicht daran denken zu müssen, wohin er jetzt ging. Breaca ritt ein Stück vor ihm, ihr Rücken kerzengerade, ihr Haar wie ein glutroter Umhang um ihre Schultern gebreitet, und es war unmöglich zu erkennen, woran sie gerade dachte.
Sie erreichten den Ort am frühen Vormittag. Die Sonne schien von hinten und warf kurze Schatten zu Füßen der Pferde. Es wehte ein leichter Ostwind, der die Fetzen blauen Wollstoffs auf der Plattform hochhob. Bei ihrer Ankunft erhoben sich träge eine Elster und zwei Dohlen und flogen auf einen Ast in der Nähe. Sie bewegten sich völlig lautlos. Schweigend - denn er hätte in diesem Moment kein Wort hervorbringen können - saß Eburovic ab und führte sein Pferd zu der Plattform. Breaca trieb die graue Stute an den Fuß eines der Holzpfosten. Sie war noch nicht groß genug, um über den Rand der Plattform hinwegsehen zu können. Eburovic wollte ihr gerade behilflich sein, als sie zu dem Querbalken hinaufgriff und sich mit einer Mühelosigkeit, die von viel Übung zeugte, daran hochzog, während sie sich mit der Spitze eines Fußes auf dem Rumpf der Stute abstützte. Auf diese Weise konnte sie sich nach vorn recken und ihre Brosche dort hinlegen, wohin sie wollte. Eburovic sah, wie sie die Lippen bewegte, hörte aber nicht die Worte. Und da er das Gefühl hatte, sie mit seiner Anwesenheit zu stören, zog er den Rotschimmel herum und entfernte sich mit ihm ein Stück von der Plattform. Kurz danach sprang Breaca wieder herunter und kam zu ihm geritten. Er betrachtete forschend ihr Gesicht und ihre Augen, suchte nach Anzeichen dafür, dass der Traum seinen Schrecken verloren hatte, dass sie sich davon befreit hatte, wie die Großmutter gesagt hatte. Da lächelte Breaca und nickte, und er drang nicht weiter in sie. Schweigend ritten sie wieder zurück. Der Wind drehte nach Süden, und die Luft wurde drückend. In der Ferne ballten sich dünne graue Wolken am Himmel zusammen, die Regen verhießen.
Erst als sie die Felder erreichten und die Pferde auf die Koppel zurückbrachten, fand Eburovic seine Stimme wieder. »Hast du viel zu tun?«, fragte er.
Die Anbau- und Pflanzsaison hatte begonnen, und Breaca verbrachte ihre Tage von morgens bis abends auf den Feldern. Wenn sie nicht gerade Saatgut ausbrachte, jätete sie Unkraut oder säuberte die Felder von Steinen. Sie musste sich sorgfältig gewaschen haben, bevor sie gekommen war, sonst hätte sie noch Erde vom vergangenen Tag unter den Fingernägeln gehabt. Weit draußen hinter den Koppeln konnte er die anderen bereits bei der Arbeit sehen.
Breacas Gedanken waren nicht bei der Arbeit gewesen. Sie starrte ihn einen Moment lang verständnislos an, ihre Stirn gerunzelt, dann
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