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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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stellen, die nicht ausschließlich klinischer Natur waren, und Antworten zu geben, die über das übliche »deine Wunde verheilt zu langsam« hinausgingen.
    In Wahrheit verheilte die Schulterwunde überhaupt nicht. Sie wechselten zweimal pro Tag den Verband, und bei jedem Wechsel war der alte mit einem übel riechenden, gelbgrünen Eiter durchtränkt, der zischend im Feuer verbrannte und die Luft verpestete. Die unaufhörlichen Schmerzen zermürbten Bán, zehrten an seinen Kräften und machten ihn fix und fertig. Es ist eine Sache, kein Interesse mehr am Leben zu haben, aber eine völlig andere, in diesem Leben gefangen gehalten zu werden, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, weil man ständig von einem dumpfen, bohrenden Schmerz gequält wird. Sie waren nur noch knapp zwei Tagesreisen von Gesoriacum entfernt, die Möwen folgten bereits ihrer Wagenkolonne, und die Luft war schon von dem salzig-herben Geruch von Seetang und angeschwemmten Schalentieren erfüllt, als Bán kurz entschlossen den dreibeinigen Schemel und die eiserne Sonde des Arztes nahm, beide neben Theophilus’ Feuer ablegte und sagte: »Das Knochenfragment zwischen den beiden Bruchstellen eitert immer stärker. Ihr werdet es wohl oder übel herausnehmen müssen, sonst werde ich den Platz in Eurem Krankenbett bis in alle Ewigkeit einnehmen.«
    Der Leibarzt des Kaisers hatte ihn durch den Dampf hindurch angestarrt, der von seinem Abendessen aufstieg. »Du hast also beschlossen, dass du doch nicht mehr der wandelnde Tote sein willst? Du bist gekommen, um wieder Anspruch auf das Leben zu erheben?«
    »Nein. Ich bin bloß gekommen, um Freiheit von diesem Krankenrevier zu fordern.«
    »So?« Theophilus’ Augen waren grau, seine Lider vom Rauch des Feuers gerötet. »Nun ja, das ist zumindest schon mal ein Anfang. Wenn du den Wunsch verspürst, dich wieder voll und ganz dem Leben zuzuwenden, musst du mir unbedingt Bescheid sagen; das ist etwas, was ich um nichts auf der Welt verpassen möchte.« Er erhob sich steifbeinig und schonte dabei sein linkes Knie. »Hol mir Wasser und einen Kochtopf. Und ruf deine Freunde zusammen. Bei dieser Sache brauchen wir Hilfe, das schaffen wir zwei nicht allein.«
    Der operative Eingriff war schmerzhafter gewesen als alles, was Bán je zuvor erlebt hatte, einschließlich der Brandmarkung durch Braxus. Civilis und Rufus waren dagewesen, um ihn festzuhalten; jeder von ihnen hatte einen Arm gepackt. Schließlich war auch noch Corvus dazugekommen und hatte Báns Kopf festgehalten, damit er Theophilus’ Arm nicht wegschlagen konnte, während dieser das Knochenfragment zu entfernen versuchte. Zu Anfang hatten sie ihm ein Stück Holz gegeben, um darauf zu beißen, doch er hatte es prompt durchgebissen, und deshalb hatten sie ihm stattdessen ein Knäuel aus Leder zwischen die Zähne geschoben und ihm nachher die Abdrücke gezeigt. Theophilus hatte einen Tupfer aus ausgekochter Baumwolle in die Wunde geschoben und sie mit Leinenfaden vernäht. Als er den Tupfer dann am ersten Tag in ihrem neuen Quartier herausgenommen hatte, war er nur noch mit Blut durchtränkt gewesen, nicht mehr mit Eiter.
    Danach war Bán schneller genesen, obwohl seine Beine noch immer schwach und wackelig waren. An dem Tag vor der großen Seereise hatten sie ihm erlaubt, Krähe zu besuchen, und der Hengst hatte nicht nach ihm ausgekeilt. Bán hatte die Schwertwunden auf seiner Schulter inspiziert und die Schnittverletzungen behutsam mit Rosmarinwasser gewaschen, und das Tier hatte kaum mehr getan, als die Ohren anzulegen.
    Später an jenem Abend war er zum Kaiser gerufen worden, der ihm wie versprochen die Tapferkeitsmedaille und die römische Staatsbürgerschaft verliehen und ihm außerdem den in Aussicht gestellten Posten in Corvus’ Kavallerieflügel gewährt hatte. Dann hatte er Bán erklärt, was er als Gegenleistung dafür verlangte. Der letztgenannte Teil dieser Forderung war völlig unerwartet gewesen, obwohl Bán sich im Nachhinein gesagt hatte, dass er eigentlich damit hätte rechnen müssen. Das Fieber und die Furcht vor dem kommenden Tag hatten ihn die ganze Nacht hindurch wach gehalten, und am Morgen hatte er zuerst zu Iccius gebetet und dann zu seiner Mutter. Er hatte sie angefleht, ihm eine Möglichkeit zu verschaffen, dem zu entrinnen, was von ihm verlangt wurde, doch keiner von beiden hatte sein Gebet erhört. Als er jetzt auf dem schwankenden, sturmgepeitschten Deck der Eurydike stand, machte ihm die Erschöpfung noch stärker zu

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