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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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schneller Reflex, geboren aus langjähriger seemännischer Erfahrung, der ihn veranlasste, flink zur Seite zu springen, als die Planke, die von dem Dreiruderer heruntergelassen wurde, mit einem lauten Knall auf dem Deck seines Schiffes aufschlug. Doch trotz seiner Reaktionsschnelligkeit streifte der Rand der herabsausenden Planke hart seine Schulter, und der bronzene Dorn an ihrem Ende, der sich krachend in das Deck bohrte, hätte ihn um ein Haar einen Fuß gekostet.
    Er war ein großer, stämmiger Mann, so wie alle Schiffskapitäne, und es bestand kein Zweifel darüber, dass er über einen umfangreichen Wortschatz an deftigen Seemannsflüchen verfügte. Er hatte gerade Luft geholt, um eine Kostprobe seines Vokabulars zum Besten zu geben, als ihm plötzlich wieder einfiel, in wessen Gesellschaft er sich befand. Er hielt abrupt inne, und seine Lippen bewegten sich stumm. Sein Blick schweifte von den Trümmern seines Decks zu der Person Seiner Kaiserlichen Majestät, die in einen scharlachroten Umhang gehüllt war und absurderweise einen Brustharnisch aus massivem Gold trug.
    Der Kaiser lächelte. Er warf einen Seitenblick auf seine Eskorte. »Der Kapitän wollte sich offenbar mit Unserem ersten Raben anlegen. Wir glauben, sein Geldgeber wird sich mit dem Nächsten noch sehr viel mehr Ärger einhandeln.«
    Die Männer der Eskorte lachten leicht gequält - so wie Männer, die den Befehl erhalten haben, auf hoher See in kompletter Rüstung zu erscheinen, und die den Mann, der diesen Befehl erteilt hat, einen Scherz haben machen hören, eben lachen. Corvus, der unter seinem Umhang seinen eigenen frisch versilberten Brustharnisch trug, lächelte angespannt. Bán verzog keine Miene; er hatte schon vor langer Zeit entschieden, dass er nicht über Witze lachen würde, die er nicht verstand. Er hielt seinen Blick starr auf den Kapitän des Handelsschiffes gerichtet und sagte nichts.
    Der Kaiser hatte ein besonderes Talent dafür, in den Gesichtern seiner Mitmenschen zu lesen. Er wandte sich zu Corvus um. »Unser neuer Staatsbürger versteht die Ursache Unserer Heiterkeit nicht. Ihr solltet sie ihm erklären.«
    »Selbstverständlich, Eure Majestät. Verzeiht mir.« Der Präfekt drehte sich mit einer Vorsicht zu Bán um, die er an Land nie gezeigt hatte. In förmlichem Gallisch erklärte er: »Die Prisenplanke wird auch als ›Rabe‹ bezeichnet, und zwar aufgrund des am Ende befindlichen Dorns oder Enterhakens, der das Deck feindlicher Schiffe durchbohrt, so wie der Schnabel eines Raben Aasfleisch durchbohrt. Er wurde schon in den ersten punischen Kriegen benutzt, und in jüngster Zeit wurde er mit großem Erfolg von dem vergötterten Augustus eingesetzt, und zwar als ein Mittel, das es den Legionssoldaten ermöglichte, von dem einen Schiff auf ein anderes hinüberzumarschieren und sich dem Gegner zum Kampf zu stellen.«
    Bán nickte, um zu bekunden, dass er zugehört und verstanden hatte. Er sagte jedoch nichts. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die Gestalt konzentriert, die am Bug des anderen Schiffes stand.
    Der Kaiser war in heiterer Stimmung. »Der Rabe ist ein inzwischen veraltetes Mittel der Seekriegsführung. Unser Kommandant wird dich gerne darüber informieren, wenn du ihm Zeit dafür lässt. Dennoch glauben Wir, dass er in diesem besonderen Fall gut dazu dient, Unser Schiff sicher mit dem des Feindes zu verankern, und außerdem wird er denjenigen, die sich auf hoher See gefährdet fühlen, Mut machen, weil er ihnen gestattet, gefahrlos von einem Schiff zum anderen hinüberzugelangen.«
    Gaius sah sich um. Seine Eskorte blickte starr geradeaus. Sie hatten keinen Befehl erhalten, auf das andere Schiff hinüberzumarschieren, und ohne einen solchen würden sie sich nicht einen Zentimeter von der Stelle rühren. Es war Amminios, der den ersten Schritt tat. Man konnte sich vorstellen, dass er sich auf See schon immer heimisch gefühlt hatte; er musste schon von frühester Kindheit an regelmäßig die Überfahrt zwischen der Residenz seines Vaters und den Gütern seiner Mutter in Gallien gemacht haben. Jetzt sprang er vom Vorderdeck seines Schiffes herunter und landete leichtfüßig auf der schmalen Planke, die die beiden Schiffe wie eine Brücke miteinander verband. Vielleicht war es Zufall, vielleicht auch Absicht, dass sich der Zwischenraum zwischen den beiden Schiffen wieder vergrößert hatte, bevor der Rabe sie fixiert hatte; auf jeden Fall klaffte jetzt eine Lücke von der Länge eines Speeres zwischen ihnen, und

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