Die Herrin der Kelten
Wessen Leben ist bereits verwirkt? «
»Cunomars.«
Die erste Warnung vor dem Angriff erfolgte durch die Hunde. Diejenigen am äußersten westlichen Rand des Lagers bellten plötzlich laut und aufgeregt, ähnlich wie auf der Jagd, wenn sie Wild gewittert hatten, und kurz danach stimmten die Übrigen in ihr Gebell ein. Krieger, die erst aufgewacht und noch damit beschäftigt gewesen waren, sich anzukleiden oder ihre Notdurft zu verrichten, sammelten hastig ihre Waffen ein und stürzten los, um ihre Pferde aufzuzäumen. Breaca, die gerade ihr Bären-Pferd sattelte, blickte über ein Meer von vom Schlaf zerzausten Köpfen hinweg. Der Nebel war inzwischen noch dichter geworden. Im Osten lag eine kränklich rosa angehauchte Nebelbank, die dem Sonnenaufgang trotzte. Der Westen war noch in Dunkelheit getaucht. Hunderte Feuer flackerten an den Rändern des Lagers, rosige Lichtpunkte in dem milchigen Nebel. Jenseits der Feuer, zwischen dem Gestrüpp und den spärlichen Bäumen, verbarg eine schattenhafte Linie den Boden. Das Bären-Pferd stellte die Ohren auf und wieherte. Irgendwo in der Ferne antwortete ein Stutenfohlen.
»Das sind die Römer.«
»Das kann nicht sein.« Caradoc saß neben ihr auf einem Pferd, das Gunovic ihm geschenkt hatte. Sein neues Schlachtross warf den Kopf hoch, als es die fremde Hand an seinem Zügel spürte. Er spähte angestrengt in die Richtung, in die Breaca zeigte. »Wir haben doch Wachen aufgestellt.«
»Wir hätten besser die Hunde als Wachen zurückgelassen. Bei diesem Nebel könnte man sich mühelos an einen Mann anschleichen, um ihm die Kehle durchzuschneiden, und er würde einen überhaupt nicht sehen. Große Götter...« Ein Feuer loderte am Rand des Lagers auf, als eine Kriegerin darum kämpfte, ihren bellenden Hund festzuhalten. Für einen Moment lichtete sich der Nebel, und Breaca konnte deutlich die Reihen von Rüstungen sehen, die im Licht der Flammen funkelten: endlose Reihen, die sich seitlich und nach hinten erstreckten. Angst stieg in ihr auf, so kalt wie Eis.
»Es sind die Römer. Mindestens eine Legion. Sie haben den Fluss an einer Stelle weiter stromaufwärts überquert und sind im Dunkeln heruntergekommen, im Schutz des Nebels.«
Das Kriegerhorn hing an ihrem Sattel. Ohne nachzudenken hob sie es an ihre Lippen. Die hohen, klaren Töne schwebten über den Lagerplatz hinweg. Die Römer gaben ihre Verstohlenheit auf. Hundert Legionshörner schmetterten ein Echo auf das ihre. Als der Lärm verhallte, schlugen fünftausend Legionssoldaten rhythmisch mit ihren Schwertern auf ihre Schilde und brüllten ohrenbetäubend synchron. Wenn Camul persönlich Donner geschickt hätte, um den Beginn der Schlacht anzuzeigen, hätte der Lärm nicht lauter sein können. Später hieß es, dass ein Dutzend Krieger allein schon aus Angst vor dem mörderischen Krach gestorben sei.
Das Gemetzel begann im Westen und kroch so unaufhaltsam vorwärts wie Eis über einen stillen See. Es blieb keine Zeit mehr, um sich zu geordneten Kampflinien zu formieren. Diejenigen, die bereit waren, saßen auf und suchten im Nebel nach anderen. Jene, die bis vor einem Moment noch tief und fest geschlafen hatten - und das waren nicht wenige -, kleideten sich mit einer Hast an, in der vieles ungetan blieb. Die Hälfte der Kriegerinnen und Krieger, die in die Schlacht ritt, tat es ohne Sattel und mit unzureichender Bewaffnung. Die meisten von ihnen starben.
Die Ehrengarden der Stämme waren am schnellsten und am ehesten kampfbereit. Noch bevor sie die Schlacht erreichten, waren Breaca und Caradoc von Kriegern in grauen und weißen Umhängen umringt. Andere schlossen sich ihnen an, als sie vorwärtsritten. Togodubnos’ Anhänger unter den Trinovantern konnten sich noch immer nicht von dem Bild des Sonnenhunds auf ihren Schilden trennen. Die Übrigen - graue Umhänge und blaue, grün gestreifte Coritani, Durotriger, Silurer - trugen allesamt das Zeichen des Schlangenspeers, frisch aufgemalt in Farben, die der ihrer Umhänge entsprach. Als ob ihnen das viel helfen würde!, dachte Breaca bitter, als sie ihren Traum in dem wallenden Nebel zu einem Albtraum werden sah. Übelkeit schnürte ihr die Kehle zu, ließ ihre Hände sich um die Zügel krampfen. Das Bären-Pferd warf den Kopf hoch, als es dahingaloppierte.
»Die Träumer...« Dubornos trieb sein Pferd an das ihre heran. Sein Gesicht war grau vor Müdigkeit, seine Stimme rau von einem Tag voller Kämpfe. »Sie glauben, sie können eine Linie aufhalten. Sie
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