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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Dubornos jagt. Das würde ich von dir auch nicht erwarten. Aber diese Hirschkuh lebt noch.« Er betonte es wie eine Frage, mit einem kurzen Hochziehen seiner Brauen.
    »Sie ist Nemmas besonderer Liebling. Sie hat sie mit der Flasche aufgezogen, als sie noch ein Kalb war. Sie zu töten wäre genauso verwerflich, als ob man eines der Pferde tötete.« Bán griff nach einem Ast und zog sich auf die Füße. Die Hirschkuh zuckte abermals mit den Ohren und sog prüfend die Luft durch die Nüstern ein, auf der Suche nach gegorenem Gerstenschrot oder Salz. »Siehst du, sie hat keine Angst vor uns. Noch nicht einmal vor Hail.«
    »Ich sehe es.« Der Mann machte keine Anstalten, sich ebenfalls zu erheben. »Hast du denn etwas anderes gefangen?«
    »Nein. Ich hatte ein anderes Tier verfolgt, einen jungen Rehbock, aber heute scheint nicht der richtige Tag zum Töten zu sein.«
    Bán setzte sich zu dem Römer unter den Baum und lehnte sich ebenfalls mit seinem Rücken gegen den Stamm. Der Mann fragte nicht, warum es kein guter Tag sein sollte, um sinnlos Blut zu vergießen, und Bán hatte auch nicht das Gefühl, dies erklären zu müssen. An diesem Tag waren solche Dinge offensichtlich. Zwischen den beiden lag Hail. Bemerkenswerterweise zog der Römer einen Streifen geräucherter Rinderhaut aus seiner Tunika und gab ihn dem Hund. Das Knacken und Krachen des knusprigen Leckerbissen erfüllte die Lichtung.
    Bán beobachtete Hail, wie er sich die Köstlichkeit schmecken ließ, und kaute auf seinen Nägeln herum, bis er seine Ungeduld schließlich nicht länger bezwingen konnte. »Warum bist du hier?«, wollte er wissen. »Ist die Sitzung vorbei? Haben sie entschieden?«
    »Wohl kaum.« Der Mann lächelte schief. »Sie werden bestimmt noch bis zum Einbruch der Dunkelheit dort drinnen bleiben. Und es würde mich nicht überraschen, wenn sie morgen früh immer noch diskutieren. Nachdem ich gesprochen hatte, konnte ich gehen. Es ist besser für Luain, wenn er nicht immer für mich übersetzen muss. Ich fragte also, ob ich nach draußen gehen dürfte, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Sie haben ausreichend Vertrauen zu mir, dass ich jetzt nicht einfach weglaufe, und ließen mich darum gehen.«
    »Aber du könntest dennoch fliehen. Die Pferde sind hier. Heute ist der einzige Tag von allen, an dem du schon lange verschwunden sein könntest, ehe die Jagd auf dich losgehen würde. Bevor sie aus dem Versammlungshaus herauskommen, würden sie doch überhaupt nicht merken, dass du geflohen bist.« Bán brauchte nicht hinzuzufügen: »Und ich würde es auch keinem verraten.« Das verstand sich zwischen ihnen von selbst.
    »Ich könnte.« Der Römer hatte ebenfalls schon darüber nachgedacht, so viel war klar. Er starrte die Hirschkuh an, die seinen Blick regungslos erwiderte. Als ob er zu ihr sprechen würde, sagte er: »Aber wohin sollte ich gehen?«
    »Nach Süden zu den Trinovantern. Sie sind mit Rom befreundet. Der Sonnenhund hat einst gestrandete Seeleute nach Gallien zurückgeschickt.«
    »Vielleicht. Aber das würde die Feindschaft, die zwischen dem Sonnenhund und seinem Sohn besteht, nur noch vertiefen. Und überhaupt, ich habe mein Wort gegeben, dass ich mich in jedem Fall dem Urteil der Ratsversammlung beugen werde. Ich möchte den Göttern nicht gerne als ein Mann gegenübertreten, der sein Wort gebrochen hat.«
    Dem gab es nichts hinzuzufügen. Bán saß niedergeschlagen da und bohrte einen Zeh in Hails Flanke. Er und der Römer versanken in Schweigen. Auf der Lichtung schälte die Hirschkuh den letzten Rest Rinde von dem jungen Lärchenstamm ab und verschwand dann mit fast lautlosen Schritten im Wald.
    Der Römer stand auf. Er blickte angestrengt zwischen den Bäumen hindurch, während er seine Augen mit einer Hand gegen die Sonne abschirmte. »Warum gehen wir nicht und sehen uns die Pferde an, die von dem Schiff gekommen sind? Die rote Stute wird allmählich zahmer. Vielleicht lässt sie dich jetzt sogar schon aufsitzen.«
    Auf diese Weise hatten sie wenigstens etwas zu tun. Sie folgten der Wildfährte, bis sie auf den kurvenreichen Feldweg traf, der nach Süden zu den Pferdekoppeln führte. Hail lief voraus und stöberte mit selbstvergessener Zielstrebigkeit Rattennester und Wildfährten auf. Die Brise war warm, hob ihr Haar an und vertrieb den hartnäckigen Rauchgeruch aus dem Großen Versammlungshaus. Es hätte ein ganz normaler Tag für Bán sein können, wenn da nicht dieser Knoten in seinem Magen gewesen wäre und

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