Die Herrin der Kelten
der dicke Kloß in seinem Hals. »Was hat Caradoc sonst noch gesagt?«, wollte er wissen.
»Was er immer sagt: dass nicht ich es wäre, der die Gefahr darstellt, sondern das, was ich repräsentiere. Er war in seiner Einschätzung von mir sehr großzügig. Er hat mir zu verstehen gegeben, dass er für mein Leben stimmen und dafür sorgen würde, dass mir sowohl Land als auch Pferde überlassen würden, wenn ich bereit wäre, bei den Eceni zu bleiben oder mit ihm nach Westen zu den Ordovizern zu reisen.«
»Und du wärst nicht dazu bereit?«
»Um dem Tod zu entgehen, den sie für mich vorgesehen haben, würde ich mich mit allem, was ein Mann von mir verlangen würde, einverstanden erklären. Aber ich würde dies nicht im Namen der Götter schwören, und das weiß er. Im umgekehrten Fall würde er auch nicht schwören, in Rom zu bleiben.«
»Aber warum nicht bleiben? Du könntest hier glücklich sein.«
»Vielleicht. Aber dann wäre ich nicht mehr länger ich selbst. Wer wir sind, hängt davon ab, wo wir sind. Und manche Leute kann man nun einmal nicht so leicht verpflanzen.«
»Das heißt also, dass Caradoc gegen dich stimmen wird.«
»Natürlich. Das stand schon die ganze Zeit fest. Und es schien ihm sogar noch angenehmer zu sein als Dubornos.«
»Dubornos? Ha!« Bán verzog das Gesicht. »Du hast ihm das Leben gerettet. Er sollte dir dankbar dafür sein.«
»In der Tat, ich habe ihm das Leben gerettet, und gerade darum hasst er mich mehr, als er mit Worten ausdrücken kann. Er war puterrot vor Wut. Ich dachte schon, dass er vor lauter Zorn einen Anfall bekommen würde.«
»Das wäre gut gewesen.« Trotz seiner Bedrücktheit ertappte Bán sich dabei, dass er grinsen musste. »Wenn du das geschafft hättest, hätten sie dich vielleicht doch noch gehen lassen.«
»Dann hätte ich ihn wohl noch strahlender anlächeln müssen.«
Bán und der Römer waren inzwischen bei den Pferdekoppeln angelangt. Ein alter Eibenstamm, so breit, wie Bán hoch war, versperrte den Eingang zur ersten Koppel. Große Placken eines orangefarbenen Pilzes, der auf dem pelzigen Untergrund aus Moos und Flechten wuchs, bedeckten seine Oberfläche. Sie kletterten über den Baumstamm hinweg und gingen den Hügel hinauf zu der hintersten und größten Koppel. In der Mitte stand eine mehrere Generationen alte Buche, umgeben von den verstreuten Überresten der Bucheckern, die im Herbst weder die Eichhörnchen noch die Kinder eingesammelt hatten. Die Herde stand in ihrem Schatten oder graste ganz in der Nähe. Bán und der Römer schlenderten weiter, um sich unter den Baum zu setzen. Die rote thessalische Stute hob den Kopf, als sie sie kommen sah. Sie hatte sich vor kurzem erst im Schlamm gewälzt und war nun über und über mit Schmutz bedeckt. Auf Báns Pfiff hin verließ sie die Herde und kam zu ihm herübergetrottet. Wie immer, wenn er ihre Bewegungen sah, war der Junge sprachlos. Selbst an jenem ersten Tag, als sie aus der Brandung aufgetaucht war, war ihr Schritt schon länger und weiter ausholend gewesen als der jedes anderen Pferdes, das er je gesehen hatte, und sie war so leichtfüßig über den Kieselstrand hinweggeglitten, als hätte sie Luftkissen unter den Hufen gehabt. Nun, da der Winter vorüber war und sie sich von den Strapazen der Schiffsreise erholt hatte, kam sie seinem Traum so nahe, dass ihn eine Gänsehaut überlief und sich die feinen Härchen auf seinen Armen aufrichteten.
Der Römer saß im Gras und beobachtete ihn. »Sie lernt allmählich, dir zu vertrauen«, sagte er.
»Ich denke schon.« Bán nickte. Zu Anfang, als sie gerade erst von dem Schiff gekommen war, hatte sie bei seinem Anblick angstvoll mit den Augen gerollt und ausgekeilt. Für die Zeit von einem halben Mond waren Luain mac Calma und - merkwürdigerweise - Airmid die Einzigen gewesen, die sie in ihre Nähe hatte kommen lassen. Den gesamten Beginn des Frühlings über hatte Bán Tag für Tag still im Morast gesessen, umgeben von Gerstenschrot als Lockmittel, und darauf gewartet, dass sie die ersten Schritte in seine Richtung machte. Ganz allmählich war sie zutraulicher geworden, und vor kurzem hatte sie sogar begonnen, auf sein Pfeifen hin zu ihm zu kommen. Er hatte eine kleine Menge Salz und einen Kamm unter seiner Tunika versteckt. Unter der Buche sitzend, schüttete er das Salz in seine Hand und hielt es fest in der geschlossenen Faust, damit sie, um an das Salz zu gelangen, zuerst seine Finger anstupsen musste. Als sie das Salz aufgeleckt hatte,
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