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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Morgendämmerung des nächsten Tages; und auch dann starb er erst, nachdem einer der Vögel an seiner Leber gerissen hatte und sie damit ausbluten ließ. Selbst dann noch...«
    »Hör auf!« Bán hatte das Gefühl, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Er schluckte hart, um die Übelkeit zurückzudrängen. »Dubornos mag ja verrückt sein, aber du musst ihm darin nicht auch noch Gesellschaft leisten. Es ist doch unwichtig, was damals passierte. Das war etwas völlig anderes. Verotagos hatte uns an die Coritani verraten. Sechs Krieger mussten auf Grund dieses Verrats sterben, unter ihnen sein eigener Vater und seine eigene Schwester. Wir befanden uns im Krieg und mussten schwere Verluste hinnehmen. Und es gab noch andere, die seinem Beispiel womöglich gefolgt wären. Die Träumer haben damals lediglich ein Exempel statuiert.«
    »Und was haben sie diesmal vor, wenn nicht ebenfalls ein Exempel zu statuieren?«
    Bán schluchzte jetzt. Heiße Tränen der Wut und der Frustration rannen seine Wangen hinunter. »Diesmal ist es anders. Du hast nichts getan, womit du die Götter beleidigt hättest. Du hast sogar Dubornos noch davon abgehalten, in den Teich zu fallen. Wenn er in Nemains Teich gefallen wäre, dann hätten sie ihm erst bei lebendigem Leib die Haut abgezogen, bevor sie ihm für die Plattform die Knochen gebrochen hätten. Er wollte dir mit seiner Geschichte nur Angst einjagen. Lass das nicht zu!« Er zwang sich, nachzudenken und nach einer Quelle der Beruhigung und des Trostes zu suchen. Ihm fiel jedoch nur eine ein. »Hast du schon mit Airmid gesprochen?«
    »Nein. Es schmerzt sie, mich anzublicken. Sie sieht mich zwar an, aber es ist unangenehm zu beobachten, welche Anstrengung sie das kostet. Ich glaube nicht, dass es auch nur einem von uns helfen könnte, wenn wir anfangen würden, uns durch die Details zu quälen.«
    Bán kniete sich hin. Er nahm die Hände des Mannes in die seinen und zwang sich, durch Corvus’ Augen hindurch auf dessen Seele zu blicken. Die Willensanstrengung, die ihm dies abverlangte, ließ ihn ruhiger werden. »Corvus, hör mir zu. Sie werden das nicht tun. Falls du sterben musst, dann wird es schnell gehen. Es gibt Wege, das Messer genau so zu halten, dass es das Herz durchsticht, bevor es irgendetwas anderes trifft.« Das war ihm zwar nie so gesagt worden, aber tief in seinem Inneren wusste er, dass es wahr war. Er vollführte eine rasche Aufwärtsbewegung, so als ob er ein Messer in der Hand hielte, und stieß die imaginäre Klinge in das Fleisch unterhalb des Brustbeins. Er spürte, wie dem Römer einen Moment der Atem stockte. Dann wanderte seine Hand weiter nach unten und zur Seite, dorthin, wo, wie er wusste, Corvus’ alte Speerwunde saß. Während er die Einbuchtung im Fleisch berührte, sagte er: »Ich verspreche dir, dass es schneller gehen wird, als ein Speerstoß in die Seite jemals sein könnte. War das schlimm?«
    Die Lippen des Römers verzogen sich zu einem flüchtigen Lächeln. »Nein. Ich habe es auch erst hinterher gespürt. In dem Moment, als ich getroffen wurde, war ich zu beschäftigt, und ich hatte auch nicht mit einem Angriff von dieser Seite gerechnet. Mein Kampfgefährte hätte den Speerstoß aufhalten sollen, aber der war zu dem Zeitpunkt selbst schon niedergestreckt worden.«
    »Wie passierte das?«
    »Er hatte den Arm zu hoch gehoben. Ein Speer traf ihn in die Achselhöhle, genau dorthin, wo er keine Rüstung hatte.«
    »Ist er an seiner Verwundung gestorben?«
    »Am Ende, ja. Zuerst hatten ihn noch die Feldärzte ein oder zwei Tage bei sich.«
    »Ein oder zwei Tage?«
    »Vier, um genau zu sein.«
    »Und dann soll das hier schlimmer sein?«
    »Vielleicht nicht.« Der Mann lachte, kurz und hart. Er zog seine Hände aus Báns sanftem Griff und legte sich wieder ins Gras zurück.
    Als Bán in den Baum hinaufblickte, sah er, dass die Krähe verschwunden war. Er schloss die Augen, spürte die Wärme der Sonne auf seinem Gesicht und versuchte, sich zu beruhigen.
    »Zumindest habt ihr hier keine Kerker«, sagte der Römer verträumt. »Das könnte ich nämlich nicht ertragen, nicht den Himmel sehen zu können oder die Vögel singen zu hören. Man sagt, dass Julius Cäsar Vercingetorix über Jahre hinweg in einem unterirdischen Verließ gehalten hat, bevor er ihn schließlich tötete. Der Mann war schon lange, ehe sie ihn wieder ans Tageslicht führten, gebrochen.«
    Bán überlief ein eisiger Schauder. Die rote Stute wanderte umher und graste dicht vor seinen

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