Die Herrin der Kelten
dieselbe Farbe angenommen wie die des Schmieds: ein fahles Grau mit einer Spur von ungesundem Gelb. Mit einer Stimme, die ganz anders klang als die, mit der er zuvor gesprochen hatte, sagte er: »Herr, ich muss hier bleiben und auf den hohen Herrn warten...«
»Nein, das musst du nicht«, erwiderte Amminios täuschend freundlich. »Du gehörst mir. Und wenn ich dir befehle, das Pferd meines Vaters in den Stall zu bringen und es trocken zu reiben, bevor es steife Gelenke bekommt und sich einen Muskel reißt, dann wirst du genau das tun. Wenn unser Gast auch nur ein Körnchen Vernunft besitzt, wird er dich seine Pferde mitnehmen lassen.«
Der Junge steckte in einer scheußlichen Zwickmühle, gefangen zwischen zwei sich widersprechenden Befehlen. Der Unterschied war nur der, dass Amminios im Gegensatz zu seinem Vater anwesend war und sich Gehorsam verschaffen konnte. Der innere Kampf dauerte nur einen kurzen Moment. Iccius neigte den Kopf und ergriff die Zügel von Cunobelins Pferd.
Amminios stand wieder auf und streckte Bán seine Hand hin. Regenwasser strömte unbeachtet über seinen unbedeckten Kopf und hinterließ dunkle Flecken auf der feinen Wolle seiner Tunika. »Bán? Wir sind inzwischen älter als bei unserer ersten Begegnung. Wir sind beide jüngere Söhne, die sich allein werden durchsetzen müssen, während unsere älteren Geschwister die Krieger unseres Volkes in die Schlacht führen. Und deshalb sollten wir Verbündete sein, keine Feinde. Dies ist kein Versuch, dir deine Stute zu entreißen, die Gesetze der Gastfreundschaft verbieten so etwas, und ich wäre ein Idiot, wenn ich es auch nur versuchen würde. Ich bin nur um deine Pferde und um dich besorgt, das ist alles. Du solltest wenigstens unter der Eiche hervorkommen. Die Tatsache, dass sie schon einmal vom Blitz getroffen wurde, bedeutet nicht zwangsläufig, dass er kein zweites Mal in denselben Baum einschlagen wird.«
Es war ein Tag, an dem die Götter oft sprachen. Wieder ertönte Donnergrollen, jetzt noch näher, und ein greller Blitz zuckte über den Himmel. Wäre Bán allein gewesen, wäre er vielleicht trotz des Unwetters geblieben, aber er hatte nicht die Absicht, das Leben seiner Stute und das von Caradocs Hengstfohlen zu riskieren. Er kam unter dem Bauch des Tieres hervor und griff nach den Zügeln.
»Ich werde sie selbst in den Stall bringen«, erklärte er. »Iccius hat schon genug damit zu tun, das Schlachtross meiner Schwester und das Pferd deines Vaters zu führen.«
»Wie du willst. In diesem Fall sollten wir vielleicht rennen, meinst du nicht auch? Das Wetter wird nicht besser werden, während wir hier stehen, und wir alle sind bereits nass genug.«
Sie legten den Weg zu den Pferdeställen im Laufschritt zurück. Iccius verschwand in einem angrenzenden Haus und kehrte mit angewärmtem Mengfutterbrei und gutem Heu für alle Tiere zurück. Er brachte Wische aus fest zusammengerolltem Stroh und Lappen aus Schafsfell, und gemeinsam rieben sie das Regenwasser aus dem Fell der Pferde. Amminios rieb das graubraune Hengstfohlen trocken, und es ließ sich von ihm ebenso bereitwillig berühren, wie es sich von Caradoc hatte berühren lassen. Breacas graue Stute wollte ihn zwar nicht an sich heranlassen, aber es gab viele Menschen, selbst unter den Eceni, denen sie ähnliches Misstrauen entgegenbrachte; es war nicht unbedingt ein Maßstab für die Rechtschaffenheit oder den Wert dieser Menschen. Iccius hatte mehr Glück bei ihr; die Stute beschnupperte ihn argwöhnisch, ließ sich jedoch anstandslos von ihm trocken reiben. Die Sättel wurden auf Gestelle am Ende des Stalls gelegt, und ein anderer Junge - ein anderer Sklave - in Iccius’ Alter wurde herbeigerufen, um sie zu trocknen und einzufetten. Die Luft füllte sich mit den vertrauten Gerüchen von gekochtem Hafer, Huföl und dampfenden Pferden, und wären die Sklaven nicht gewesen, hätte es auch ebenso gut irgendein Eceni-Pferdestall nach einem Unwetter sein können.
Amminios trat zur Seite, die Hände in die Hüften gestemmt, den nassen Umhang über die Schultern zurückgeworfen. Er wandte sich an Bán: »Und? Bist du jetzt zufrieden?«
»Den Pferden geht es besser, ja. Danke.«
Iccius schien es ebenfalls wieder besser zu gehen; seine Gesichtsfarbe war nicht mehr ganz so aschfahl, und sein schüchternes Lächeln war wieder zurückgekehrt, obwohl sein Blick eine Warnung und auch eine stumme Bitte enthalten hatte, aus denen Bán bisher jedoch noch nicht so recht schlau geworden
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