Die Herrin der Kelten
sogar noch eher ab als die Seeleute. Sie versammelten sich bei Tagesanbruch, zwei Tage nach dem Spiel zwischen Bán und Amminios und einen halben Tag, bevor die frisch getaufte Sonnenpferd mit der Abendflut auslaufen würde. Der Morgen dämmerte klar und wolkenlos herauf und versprach gutes Wetter für ihre Reise. Über dem Boden lag ein kalter Nebel, zurückgedrängt von den Feuern des Großen Versammlungshauses und der umliegenden Behausungen. Die Pferde stampften und schnaubten, und ihr Atem bildete kleine weiße Dampfwölkchen in der kalten Luft.
Breaca saß auf ihrer grauen Stute und wartete am Tor, während die anderen noch letzte Abschiedsgrüße tauschten. Cunobelin wartete neben ihr. Sie hatte angenommen, dass er in großer zeremonieller Aufmachung erscheinen würde, behängt mit klirrendem, nicht miteinander harmonierendem Schmuck aus juwelenbesetztem Gold und Bronze und emailliertem Eisen. Stattdessen hatte er sie wieder einmal überrascht, wie es seine Art war. Er stand barhäuptig da, sein Haar strohblond in der Sonne, sein Umhang von dem schlichten Ginsterblütengelb der Trinovanter, und jeglicher schmückender Verzierungen beraubt. Sein Schwert hing nach Kriegerart von seiner rechten Schulter herab, und sein Schild bestand aus mit Rindsleder bespanntem Holz, das mit keinerlei Stammessymbolen oder Rangabzeichen bemalt war, so dass er auch ebenso gut einer der Nomadenhelden aus den Geschichten der Sänger hätte sein können, für die Zeitspanne einer Morgendämmerung in das Reich der Lebenden zurückversetzt. Er stand am Kopf von Breacas Stute und gab kurze, ätzende Kommentare über diejenigen ab, die sich zum Aufbruch versammelten.
Nicht allen fiel der Abschied leicht. Macha hatte drei Nächte allein mit Luain verbracht, und sie sah ziemlich niedergeschlagen und abgespannt aus, als sie sich jetzt auf den Rücken ihrer Stute schwang. Mac Calma hatte Angelegenheiten in Gallien zu erledigen und daher Segoventos’ Angebot, ihm auf der Jungfernfahrt des Schiffes eine Koje zur Verfügung zu stellen, bereitwillig angenommen. Er hatte versprochen, auf seiner Rückreise nach Mona zu einem erneuten Besuch in das Rundhaus zurückzukehren, aber es war kein Zeitpunkt für seine Ankunft ausgemacht worden. Es war ein Muster, nach dem ihre Begegnungen auch früher schon abgelaufen waren, und der Schmerz darüber war alt und deutlich auf ihren Gesichtern zu erkennen. Die Gewohnheit hatte ihn nicht zu mildern vermocht.
Bán dagegen wirkte sehr viel froher. Er stand hoch aufgerichtet neben dem Römer, und sein Gesicht glühte vor Stolz und Freude, nur leicht gedämpft durch den Kummer darüber, dass sich ihre Wege nun wieder trennen würden. Seit Báns Sieg im Spiel waren sie fast ständig zusammen gewesen und gemeinsam ausgeritten oder hatten mit Schwertern und Speeren trainiert. Breaca hatte bemerkt, mit welcher Sorgfalt der Römer ihren Bruder in der Kampfweise der Legionen unterwiesen hatte, damit er in der Lage sein würde, sich gegen sie zu verteidigen, falls sie jemals aufeinander stoßen sollten. Jetzt sagte Corvus etwas in seinem mit starkem Akzent behafteten Gallisch, und Bán antwortete lachend. Er war im Stimmbruch, und mitten im Satz schnappte seine Stimme über und sprang dann die Tonleiter hinunter, um in einer Tonlage zu enden, die der von Luain entsprach. Sie war nicht sonderlich tief, aber volltönend, und man konnte jetzt schon erkennen, wie seine Stimme einmal klingen würde, wenn er ein erwachsener Mann war.
Spontan und ohne nachzudenken sagte Breaca: »Er ist kein Kind mehr.«
»Es sieht ganz danach aus.« Sie hatte völlig vergessen, dass Cunobelin da war und ihre Bemerkung mithören konnte. In seiner Stimme schwang der mittlerweile vertraute bissige Humor mit, der andere, ernstere Dinge überlagerte. »Wir geben uns die größte Mühe, Mannbarkeitsprüfungen anzuordnen, die den heranwachsenden Jünglingen eine Menge abverlangen, so dass sie am Ende das Gefühl haben werden, als ob sie großen Widrigkeiten zum Trotz einen echten Sieg errungen und sich den Eintritt ins Mannesalter ehrlich erkämpft hätten. Und dann greift manchmal das Schicksal ein - ihr würdet sagen: die Götter - und macht das Wirken des Menschen überflüssig.«
»Er wird trotzdem im Herbst seine drei langen Nächte in der Einsamkeit hinter sich bringen müssen. Ohne diese Prüfung werden ihm die Ältesten nicht seinen Speer gewähren.«
»Natürlich. Die Rituale müssen befolgt werden, damit er den Leuten beweisen
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