Die Herrin der Kelten
zuckte ein Muskel. »Ich kann nun wirklich nicht behaupten, über Iccius’ Tod froh zu sein, aber ich bin doch heilfroh, dass mir diese Peinlichkeit erspart geblieben ist.« Er schenkte Wein für sie beide ein, und Bán trank ohne fremde Hilfe. Wein zu trinken war eine Gewohnheit, die er erst sehr spät entwickelt hatte, und wenn er trank, dann nur in ganz kleinen Mengen, aber jetzt wärmte der Wein ihn angenehm, und er hätte es nicht über sich gebracht, Corvus zu beleidigen, indem er den Becher ablehnte.
Der Römer sagte sanft: »Godomo hat mir erzählt, dass Amminios’ Kampfadler deine Familie abgeschlachtet hätten. Ist das wahr?«
»Ja.«
»Das tut mir sehr Leid.« Er setzte sich auf die Kiste mit Decken und stellte den Wein neben sich ab. »Und Caradoc, ist der auch tot?«
»Nein.« Der Speichel in Báns Mund wurde plötzlich sauer. »Er verließ uns einen Tag vor dem Angriff. Er half Amminios, den Überfall auf uns zu planen.«
»Was?« Der Römer starrte ihn ungläubig an. »Bist du sicher?«
»Ja. Amminios hat mir das auf dem Schiff erzählt, als sie mich herüberbrachten. Damals habe ich ihm nicht geglaubt, aber später habe ich zufällig gehört, wie er im Badehaus mit Braxus darüber sprach; sie hatten offenbar vergessen, dass ich draußen war, um das Feuer zu schüren, und alles mithören konnte. Amminios lachte spöttisch über den altmodischen Aberglauben der Eceni, darüber, wie Breaca auf etwas so Bedeutungsloses wie einen Eid auf ein Schwert hereingefallen war und wie der Rest von uns ihr blindlings gefolgt waren, wie die kleinen Kinder. Er sagte...« Bán würgte und musste sich erst wieder sammeln. »Er sagte, genau das hätte es seinen Männern so leicht gemacht, uns zu töten.«
Die Erinnerung daran brannte in der Narbe auf seinem Arm. Es waren Amminios’ höhnische Worte gewesen, die seinen allerersten Fluchtversuch ausgelöst und ihm zur Strafe dafür das Brandmal eingebracht hatten. In dem glühenden Zorn des Augenblicks hatte Bán sein Feuerholz fallen lassen und war zu den Ställen gerannt, um ein Pferd zu stehlen, mit keiner besseren Idee im Sinn, als irgendwie in das Land der Ordovizer zu gelangen und Caradoc zu töten oder bei dem Versuch zu sterben. Seine Wahl des Pferdes, in aller Hast getroffen, war schlecht gewesen, und Braxus’ Männer hatten ihn wieder eingefangen, noch bevor er das Tor erreichte, aber für die kurze Zeitspanne seiner Freiheit war es von größerer Bedeutung für ihn gewesen, Caradoc für seinen Verrat büßen zu lassen, als Amminios zu töten. Als Bán jetzt in seinem Inneren nach der gleichen Flamme des Zorns suchte, die ihn damals angetrieben hatte, konnte er sie nicht mehr finden; Iccius’ Tod hatte alles ausgelöscht.
Dennoch brach er in Tränen aus und weinte haltlos; um die Erinnerung an Iccius und an seine Familie mehr noch als um sich selbst. Nach einer Weile, als Báns krampfartige Schluchzer allmählich wieder verebbten, sagte Corvus: »Es tut mir aufrichtig Leid. Ich hätte Caradoc nicht für derart niederträchtig gehalten. Aber was immer auch zwischen ihm und seinem Bruder gewesen sein mag, jetzt wird es anders sein. Cunobelin ist tot, und Amminios ist in die alte Heimat zurückgereist, um der Beisetzung seines Vaters beizuwohnen. Wenn du Recht hast und er einen Pakt mit Caradoc geschlossen hat, dann werden die beiden Togodubnos ermorden. Wenn sie überleben, dann würde ich alles, was ich besitze, darauf wetten, dass Caradoc anschließend versuchen wird, Amminios zu töten. Er mag zwar vorübergehend ein Bündnis mit seinem Bruder eingegangen sein, aber er hat schon seit seiner Kindheit einen starken Hass gegen Amminios gehegt, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er so leicht wieder davon ablassen könnte. Ich würde sagen, wenn dein ehemaliger Herr und Gebieter lebend wieder nach Hause zurückkehrt, wird er sich wegen wichtigerer Dinge Sorgen machen als wegen einer befreiten Eceni-Geisel.«
Corvus schenkte die beiden Becher wieder voll und stellte sie auf die Kiste, wo sie leicht zu erreichen waren. Bán starrte ihn verständnislos an.
»Geisel?«
»Allerdings.« Der Römer versuchte, nicht zu lächeln, schaffte es aber nicht. »Ich habe die Papiere hier. Auch sie sind in meinem Beisein vom Magistrat beglaubigt worden. Du bist ein Prinz aus der Herrscherfamilie der Eceni. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass ein jüngerer Sohn in gutem Glauben fortgeschickt wird, um in den Häusern von Männern
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