Die Herrin der Kelten
und streckte die Hand aus, um stattdessen das Heft ihres Schwertes zu berühren, so wie er es einst auf der Landspitze getan hatte, als das Leben noch ganz anders gewesen war. »Der Schwerteid...«
»Ist null und nichtig.« Breaca schreckte unwillkürlich vor seiner Berührung zurück. Nun, da sie ihre Stimme endlich wieder gefunden hatte, kamen die Worte zu hastig und recht schroff über ihre Lippen. »Die Blutschuld macht ihn ungültig. Und selbst wenn dem nicht so wäre, würde ich dich von dem Eid entbinden.«
»Dann möchte ich ihn erneuern.« Sein Finger blieb auf ihrem Schwert und wollte es nicht loslassen. Er sprach ebenso schroff wie sie, nur langsamer.
»Warum?«, fragte sie.
»Weil noch mehr Menschen auf der Welt leben als nur wir beide und weil es eines Tages von entscheidender Bedeutung sein könnte, dass die Eceni mit den Ordovizern verbunden sind. Wir erweisen Báns Andenken keine Ehre, wenn wir auf jene Dinge verzichten, die uns vor den Göttern aneinander binden.« Seine Augen waren auf gleicher Höhe mit den ihren. Sein Gesicht wirkte plötzlich nackt und bloß, all der Ironie und der Schärfe beraubt, die seine Verteidigungsmittel waren, so dass er jetzt offen und zugänglich war, um gesehen zu werden als das, was er war: ein Krieger an der Schwelle zum Erwachsenenalter, der darum kämpfte, sich auf einem Gebiet verständlich zu machen, das für sie beide Neuland war.
Nur ein einziges Mal zuvor, als er gerade dem nassen Tod auf See entronnen war, hatte Breaca ihn derart offen und ungeschützt erlebt wie in diesem Moment, doch damals hatte er sich ihr nicht absichtlich geöffnet, so wie er es jetzt tat. Diese bewusste Entblößung seines Innersten zermürbte sie und auch die Zielstrebigkeit, die dahinter steckte. Sie hatte seinen Mut erfahren, als er Dubornos in einer waghalsigen Aktion aus dem Fluss gerettet hatte, und dann noch einmal bei der Szene in der Schmiede, als er seinem Vater entgegengetreten war; sie hätte nie gedacht, dass sie diesen Mut noch einmal von der anderen Seite erleben würde. Erschüttert sagte sie: »Ich würde Báns Andenken niemals entehren.«
»Ich weiß.« Seine Augen hatten die Farbe von Stein und waren ebenso hart. »Dann bist du also damit einverstanden, dass wir den Eid erneuern?«
»Ja.« Am Ende eines langen, mühsam unterdrückten Impulses, ihn zu berühren, faltete sie das Stück Rehleder wieder über der Brosche zusammen und drückte ihm das Päckchen in die Hand. »Und behalte die hier. Wenn sie wieder die Bedeutung erlangt, die sie früher einmal hatte, werde ich es dir sagen.«
»Danke.« Überraschung und Freude hellten sein Lächeln auf. »Wenn diese Zeit jemals kommt, weißt du ja, wo du mich finden kannst.«
Sie hatte immer gewusst, wo sie ihn finden würde, oder hatte das zumindest geglaubt. Er kam und ging von Mona, so wie die Träumer es taten, als ob der größere Teil von ihm auf der Insel ansässig wäre. In den Zeiträumen dazwischen war er im Land der Ordovizer oder segelte mit Segoventos und besuchte zahlreiche Stämme - von den Brigantern und den Kaledoniern im Norden bis hin zu den Dumonii im fernen Südwesten -, um Handel zu treiben und Informationen zu sammeln und um herauszufinden, wer Rom gewogen war und wer nicht. Der allergrößte Feind war nach wie vor Rom; sein Hass darauf hatte niemals nachgelassen.
Auf Mona hatte er einen regulären Platz an der Kriegerschule eingenommen, und obwohl es Breaca unmöglich gewesen war, ihm ganz und gar aus dem Weg zu gehen, war sie doch immer rechtzeitig über sein Kommen informiert worden. Sie hatten sich hin und wieder getroffen und immer mit triftigem Grund, und das Verhaltensmuster war jedes Mal das Gleiche gewesen: ein kurzer Austausch von Höflichkeiten und bruchstückhaften Neuigkeiten, aber mehr nicht. Die Geister der Vergangenheit standen zwischen ihnen, und nichts konnte mehr so sein, wie es früher einmal gewesen war.
Bis jetzt, wo er im Begriff war, einer von einer Hand voll von Auserwählten zu werden, die die wichtigste aller Kriegerprüfungen absolvieren mussten: Caradoc, Sohn von Cunobelin, der bereits im Alter von zwölf Jahren bei drei verschiedenen Stämmen seinen Speer errungen hatte; der bisher noch jede von Menschen oder von den Göttern auferlegte Prüfung bestanden hatte; der an Breaca von den Eceni durch einen Eid gebunden war, der jeden von ihnen daran hinderte, direkt gegen den anderen zu kämpfen.
Venutios’ Stimme erschallte wie aus weiter Ferne und in einem
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