Die Herrin der Kelten
anderen Ton als bei all den Namen, die er vorher aufgerufen hatte.
»Caradoc von den Ordovizern ist der Dreißigste der dreißig.«
»Wir werden ein Festmahl zu Ehren von Venutios veranstalten. Ihr werdet auf die Jagd gehen und Fleisch für die Tafel beschaffen. Ein Keiler wäre gut, oder auch ein Reh.«
»Ist das alles?«
»Das genügt vollauf. Venutios wird euch führen. Er bleibt so lange ranghöchster Krieger, bis ein Nachfolger gewählt ist.«
Talla hatte dies gesagt, als sie in dem grauen Dämmerlicht vor Tagesanbruch zu den dreißig gesprochen hatte. Es war der Junge von den Brigantern, der die Frage gestellt hatte; ein dreister Bursche, der noch nicht an die Gepflogenheiten auf Mona gewöhnt war. Von den anderen hatte keiner ein Wort gesagt. Es genügte ihnen zu wissen, dass sie auf die Jagd gehen sollten, was auch immer danach kommen mochte. Auf Tallas Befehl hin waren sie davongeeilt, um ihre Jagdspeere und Messer und ihre persönlichen Traum-Andenken zu holen, die sie den Göttern näher bringen würden. Kriegerfedern oder irgendwelche anderen Kampftrophäen waren jedoch nicht erlaubt. Breaca und zwei andere hatten die Erlaubnis erhalten, einen Jagdhund mitzubringen.
Als sie sich anschließend wieder am Tor der Siedlung versammelt hatten, hatte Maroc zu ihnen gesprochen, doch er hatte sich auch nicht ausführlicher geäußert als die Ratsälteste. »Ihr könnt allein oder auch gemeinsam jagen; die Wahl liegt bei jedem Einzelnen von euch. Ihr solltet nur wissen, dass ihr zusammenbleiben müsst. Venutios wird dafür sorgen, dass ihr das tut.«
Sie waren in der Reihenfolge, in der sie aufgerufen worden waren, durch das Tor hinausmarschiert. Maroc hatte jedem von ihnen ein Zeichen auf die Stirn gemalt, als sie an ihm vorbeigingen; ein schwungvoller Strich über den Brauen aus mit Wasser und Eiweiß verdünntem Färberwaid, um sie nach den älteren Göttern der Ahnen zu benennen. Das Zeichen war zu blass, um deutlich erkennbar zu sein, aber Breaca hatte beim Laufen gefühlt, wie es trocknete und ihre Haut zusammenzog, so dass der Druck eine ständige Erinnerung an Marocs Worte war.
Ihr könnt allein oder auch gemeinsam jagen; die Wahl liegt bei jedem Einzelnen von euch.
Es zahlte sich immer aus, auf Maroc zu hören. In den zwei Jahren, die sie nun schon auf Mona war, hatte Breaca noch nie erlebt, dass er ohne triftigen Grund gesprochen hätte, und seine Worte hatten selten nur eine einzige Bedeutung. In der Nähe der Siedlung gab es keine Wildschweine, das war allgemein bekannt. Dieser Umstand verschaffte ihnen Zeit, um Entscheidungen zu treffen. Venutios hatte sie nach Westen geführt und dabei ein schnelles Tempo angeschlagen, und die anderen hatten sich anschließend zu dem weiten, halbmondförmigen Bogen formiert, den Hasenjäger bevorzugten, so dass sie nahe genug beieinander waren, um sich gegenseitig noch sehen zu können, aber nicht so nahe, dass sie irgendeinen Anlass hatten, miteinander zu sprechen.
Breaca war dankbar für die Möglichkeit, zu laufen und nicht dabei reden zu müssen. Unter normalen Umständen hätte sie allein gejagt. Sie hatte Hail dabei, der von klein auf dazu abgerichtet worden war, in einem Zweiergespann zu jagen. Der Hund war das Letzte, was ihr noch von Bán geblieben war, und Hails Begeisterung und Freude an der Jagd machten es ihr schwer, ihn mit den anderen zu teilen. Und dennoch war sie eine von dreißig, und selbst als sie sich vor den Toren der Siedlung versammelt hatten, hatte sie bereits die unsichtbaren Fäden gespürt, die sie alle miteinander verbanden: den dunklen, schweigsamen Knoten, der Ardacos war, seine Seele tief in den Sitten und Gebräuchen der Ahnen verwurzelt; die konzentrierte, zielstrebige Vitalität von Gwyddhien, die sie wie glänzend polierte Pechkohle unter lauter stumpfen Flusskieseln erscheinen ließ; die Schärfe von Braint, dem schwarzhaarigen Mädchen von den Brigantern, und die Hartnäckigkeit ihres rotschöpfigen Cousins. Jetzt, in einer Reihe in der Heide verteilt, bildeten sie Juwelen auf einer Schnur, jeder von ihnen von einer ganz speziellen Farbe und mit ganz speziellen Eigenschaften, jeder von ihnen ein unverzichtbarer Teil des Ganzen. Selbst der Langweiler von den Dumonii, dessen Name in der Sprache seines Volkes »Dachs« bedeutete, entpuppte sich hier draußen bei der Jagd als etwas Besonderes und ließ erkennen, dass er absolut zuverlässig war. Nur Caradoc war anders; er war derjenige, der nicht wirklich Teil von Mona
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