Die Herrin der Kelten
»Warum ist das hier dann besser?«
»Ich habe keine Angst vor dem Sterben.«
»Nein, die hast du allerdings nicht. Du bist geradezu besessen von der Idee. Seit dem Tag, an dem Iccius getötet wurde, hast du dieses zwanghafte Bedürfnis zu sterben. Ich hatte gehofft, wir könnten dir einen Grund geben, dich wieder dem Leben zuzuwenden.«
»Indem du Gaius eine Lüge aufgetischt hast?«
»Großer Gott, was sollte ich denn anderes tun? Ihm sagen, dass du Amminios mit einem Stein den Schädel eingeschlagen hast und dass er dich zur Strafe dafür kreuzigen sollte?« Er hielt schwer atmend inne. »Bán, hör mir zu. Titus Pompeius ist noch nie auf einem Schlachtfeld gewesen, und die Zweite hat eine Kohorte von neuen Rekruten, die noch nicht dahinter gekommen sind, dass man sich davon freikaufen kann, Wache stehen zu müssen. Wenn das nicht gewesen wäre, hättest du deinen langsamen Tod bekommen, und wir hätten nicht das Geringste dagegen unternehmen können. Der Hengst gebärdete sich wieder mal wie ein Rasender, aber er trampelte auf einem Körper herum, der bereits tot war. Der tödliche Schlag auf Amminios’ Kopf stammte nicht von einem Pferd. Kein Mann, der schon einmal gegen die Kavallerie gekämpft hat - kein Mann, der den Chatti-Überfall im letzten Monat überlebt und die schlimm zugerichteten Leichen gesehen hat -, würde den Fehler machen, den Titus Pompeius und seine Rekruten gemacht haben. Die Wachen der Zweiten sahen nur das, was sie sehen wollten, und Gaius hielt es nicht für nötig, die Angelegenheit genauer zu untersuchen. Er brauchte Amminios nämlich nicht, er hat ja dich, der in seiner Schuld steht. Das Einzige, was er brauchte, war ein überzeugender Grund, um dich laufen zu lassen. Und ich habe ihm diesen Grund geliefert.«
»Und deshalb stehe ich jetzt nicht nur in seiner Schuld, sondern auch in deiner.«
Es war dieses Bewusstsein, dass er Corvus Dank schuldete, das ihn so schmerzte, mehr noch als alles andere. Gaius war ihm völlig gleichgültig, aber er wollte unter keinen Umständen in der Schuld des Mannes stehen, der sich jetzt auf die Bettkante setzte, die Hände nach ihm ausstreckte, als ob er ihn berühren wollte, und sie dann hastig wieder zurückzog und zu Fäusten ballte; der Mann, der verzweifelt sagte: »Gott im Himmel, Bán, warum musst du bloß so schrecklich stur und halsstarrig sein? Du bist mir überhaupt nichts schuldig. Du bist mir niemals etwas schuldig gewesen, und du wirst mir auch niemals etwas schuldig sein. Selbst wenn du mir damals, als wir dachten, Caradoc überbrächte die Nachricht von meiner Verurteilung, nicht das Messer gegeben hättest, wärst du mir jetzt trotzdem nichts schuldig. Es geht hier nicht um Schuld oder um eine Aufstellung darüber, wer wem wie viele Gefälligkeiten erwiesen hat, sondern es geht hier einzig und allein um Zuneigung. Ich liebe dich. Weißt du das denn nicht?«
Bán saß vollkommen reglos da, wagte es nicht, sich zu rühren. Der Nebel der Verwirrung und der Ratlosigkeit, der sich in seinem Kopf ausgebreitet hatte, hob sich wie Dunstschleier unter den Strahlen der Morgensonne, um nur die Sache zu enthüllen, die er zwar gefühlt, aber nicht gesehen hatte, als Theophilus ihm damals seine Frage gestellt hatte.
Bedeutet er dir etwas?
Ja, sehr viel sogar, aber ich weiß nicht, ob diese Zuneigung erwidert wird.
Und daher hatte er seine Zuneigung unter verletztem Stolz und altem Zorn begraben und unter dem letzten Rest eines dringenden Bedürfnisses zu sterben, voller Angst davor, dass es der höchste Verrat an den Toten sein würde, wenn er dieses Letztere völlig aufgäbe und sich wieder dem Leben zuwandte. Jetzt tastete er suchend nach Iccius und konnte ihn nicht finden, fühlte statt seiner aber auch keine Zurückweisung.
Das Schweigen dehnte sich aus. Bán fühlte eine leichte Berührung an seiner gesunden Schulter, und diesmal zuckte er nicht davor zurück. Nach einem Moment des Zögerns streckte er seine Hand aus und traf auf eine andere, überraschend kühle, während die seine feucht vor Schweiß war. Sie hielten einander für einen Augenblick umfasst, dann wurde seine Hand gedrückt und wieder losgelassen, und als die andere Hand sich ihm abermals näherte, hielt sie ein Weinglas, und er stellte fest, dass er sich aufsetzen, das Glas nehmen und daraus trinken konnte, ohne den Inhalt zu verschütten. Der Wein war von der allerbesten Sorte und stammte aus den Beständen des Kaisers. Das Glas war grün und hatte einen langen
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