Die Herrin der Kelten
Stiel, und seine Finger hinterließen Abdrücke darauf. Der Wein stieg ihm prompt zu Kopf und ließ das Blut in seinen Ohren rauschen. Durch das Rauschen hindurch hörte er Corvus, der mit dem bedächtigen, nachdenklichen Tonfall sprach, den er vor Manövern gebrauchte.
»… brauchst nicht hier zu bleiben. Ich werde dich nicht bedrängen oder etwas von dir verlangen, was du mir nicht geben kannst. Ich weiß, wie es ist, wenn man geliebt wird und diese Liebe nicht erwidern kann. Du kannst in den Legionen bleiben, und zwischen uns wird alles wieder so sein, wie es vorher war. Oder wenn du - nachdem du nun weißt, was ich für dich empfinde - selbst ein rein freundschaftliches Verhältnis noch als zu eng und erdrückend empfindest, kann ich dir auch ein Schiff besorgen, das dich nach Hause bringen wird. Es wird zwar schwierig sein, und wir werden einen Grund dafür erfinden müssen, aber unmöglich ist es nicht...«
Bán hörte nicht mehr zu. Er wollte nicht mehr zuhören. Er schüttelte den Kopf. Sein Herz schlug hämmernd gegen seinen Brustkorb, und der Schmerz war unerträglich.
Corvus sagte: »Bán, sieh mich an.«
Er sah ihn an. Seine Augen waren weit aufgerissen, er konnte aber nichts sehen, weil seine Augen in Tränen schwammen. Er wischte sie mit seinem Handrücken ab.
»Bán, was hast du denn? Habe ich...«
»Ich... kannst du nicht mal für einen Moment aufhören, der Präfekt zu sein, und mich einfach in die Arme nehmen? Bitte?«
Als er wieder aufwachte, war es heller Morgen, und die Strahlen der Sonne lösten den Nebel auf. Corvus lag neben ihm, bereits wach. Der Horus in der Nische über ihnen starrte mit großen, blicklosen Augen in die Sonne. Bán streckte die Hand nach der Statue aus und strich über die Wölbung ihres Kopfes.
»Er wacht über dich«, sagte er.
»Über uns. Ja.«
»Er war ein Geschenk, nicht wahr? Und auch das Pferd. Horus, damit er dich beschützt, und das Pferd, damit es für dich kämpft.« In seinen Gedanken formte sich ein Bild, das Bild eines blonden Kopfes, der an genau der Stelle lag, wo jetzt der seine war, und eines schmäleren, älteren Gesichts. »Wie hieß er... derjenige, der dir die beiden Statuen schenkte?«
»Marcus. Marcus Aemilius. Er starb in Pannonien.«
»Bei dem Gefecht, bei dem du das hier abbekommen hast.« Er berührte zart die sonnenradförmige Narbe unterhalb von Corvus’ Rippen. Die Haut um die Narbe herum war sehr viel empfindlicher als die an anderen Körperstellen. In der Nacht hatte Bán sie mit seinen Lippen liebkost, hatte die Knoten und bläulich verfärbten Einbuchtungen erforscht und die Umrisse behutsam mit der Fingerspitze nachgezeichnet, von den Rippen zum Rückgrat und wieder zurück. Jetzt strich er zart mit dem Finger über die Narbe und beobachtete, wie sie reagierte. Der Name spielte keine Rolle, ebenso wenig wie das, was jener Marcus Aemilius für Corvus gewesen war. Die Vergangenheit war tot und begraben; das Einzige, was zählte, war das, was sie zusammengeführt hatte. Er ließ seine Handfläche zärtlich an Corvus’ Seite hinabgleiten und hörte, wie Corvus keuchend nach Luft schnappte und den Atem anhielt.
»Soll ich damit aufhören?«
»Von mir aus ganz bestimmt nicht. Möchtest du das denn?«
»Nein. Niemals.« Er lächelte, als er sich an gewisse Dinge in der Nacht erinnerte. »Vielleicht schaffen wir es jetzt, wo es hell ist, den Wein nicht zu verschütten?«
Der Morgen nahm seinen Fortgang. Draußen erschallten die Stimmen von Männern, die Vorbereitungen für die Abreise des Kaisers trafen. In der sicheren Festung des Bettes schmiegte Bán sich in die Arme, die ihn umschlungen hielten. »Wenn wir sie hören können«, sagte er, »können sie uns genauso deutlich hören.«
»Stört dich das?«
»Nein. Es sei denn, sie denken, dass wir noch immer Theater spielen.«
»Das werden sie wohl kaum denken.« Ein Kuss stahl ihnen das Lachen von den Lippen. »Biete dich bloß niemals an, Theater zu spielen. Du bist ein so erbärmlich schlechter Schauspieler, dass du uns beide damit ins Grab bringen würdest.«
»Ich weiß. Du hast die schwere Bürde ganz allein getragen, und ich wusste das und habe doch nichts dagegen getan. Es tut mir so Leid.«
»Es braucht dir nicht Leid zu tun. Du hast getan, was du konntest. Das genügte.«
»Hast du Angst gehabt?«
»Panische Angst. Hast du das nicht gemerkt? Ich hätte lieber ganz allein gegen eine Horde von Chatti gekämpft. Es ist eine Sache, im Kampf zu sterben, aber
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