Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
nicht lustig.« Sie setzte sich wieder und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Machte denn in diesem Land plötzlich jeder, was er wollte? Gab es denn nur noch Hiobsbotschaften? Es begann mit dem Schreck vom Dreikönigstag, als Berengar, statt im Triumph durch das Herzogtum Spoleto zu ziehen, vor verschlossenen Grenzen stand. Dann kam das Chaos des Widerstandes, der sich wie ein Fieber in ganz Süditalien ausbreitete, über Capua-Benevent nach Apulien und Salerno. Gleich darauf folgte das Unglück, dass der byzanztreue Markgraf von Toskana starb, und seine Witwe, die Regentin für den noch unmündigen Sohn, sich sogleich gegen Berengar aussprach, was bedeutete, dass dem designierten König alle Straßen zur Krönung versperrt waren. Und nun auch noch die Katastrophe von Modena, wo Berengars Heer, das sich gewaltsam den Weg nach Rom bahnen wollte, von einer toskanischen Streitmacht zurückgeschlagen worden war. Irgendetwas lief seit fünf Monaten schief, und Theodora ahnte, dass das etwas mit ihrer Tochter zu tun hatte. Und Byzanz drängte immer vehementer auf rücksichtsloses Durchgreifen.
»Ich bin umgeben von Verrätern«, murmelte sie. »Und von Tölpeln.«
Bei diesem Wort schien dem
secretarius
etwas einzufallen. »Das hätte ich fast vergessen, Durchlaucht. Seine Heiligkeit ist zu Besuch. Er wartet im
peristyl
.«
Theodoras Augen leuchteten auf, und statt dem üblichen störenden Zucken umspielte ein sanftes Lächeln ihre Mundwinkel. »Oh«, hauchte sie und überlegte kurz. Dann befahl sie dem Diener, Johannes auszurichten, dass sie gleich komme. Sie wartete, bis er gegangen war, dann zog sie eine Lade auf und hielt sich einen kleinen goldumrahmten Spiegel vor das Gesicht. Sie veränderte nicht viel an ihrem Aussehen, strich nur mit dem Finger die Augenbrauen glatt und kniff sich einige Male in die Wangen. Dann zupfte sie einige schwarz und grau melierte Haarsträhnen aus der allzu streng gesteckten Frisur, so dass sie sich an beiden Schläfen entlanglockten, und begab sich schließlich zum
peristyl
.
Dieser Besuch, um den sie Johannes nicht gebeten hatte, bedeutete ihr viel. Immer wieder dachte sie an jenen Moment vor einem halben Jahr zurück, als sie ihm seine Erhebung zum Papst bestätigt hatte. Er hatte sie hochgestemmt, einige Male herumgewirbelt und geküsst. Tagelang war sie mit ihm zusammen, sie redeten und lachten, ganz wie in alten Zeiten. Doch seine Dankbarkeit kühlte danach schnell ab. Er kam nur noch selten bei ihr vorbei, schien sich im Lateran prächtig zu amüsieren, und wenn sie es nicht mehr aushielt und ihn dort aufsuchte, kam es ihr manchmal vor, als mache er sich heimlich über ihre Anhänglichkeit lustig. Ihn nun hier zu sehen war wie ein Sonnenstrahl durch dicke Wolken.
Theodora beobachtete mit halb geschlossenen Lidern, wie Johannes eine Orange von dem kleinen Baum pflückte, sie schälte und schließlich herzhaft hineinbiss. Er trug ein blütenweißes Gewand, in dem er so jung wirkte wie an dem Tag, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Mit einem Summen auf den Lippen schlenderte er an den blühenden Rabatten entlang, hielt sein Gesicht in die Sonne und fuhr sich mit der Hand immer wieder durch die Haare. Ihre Arme ausgestreckt, ging sie auf ihn zu.
»Johannes!«, rief sie, und es lag eine ungewohnte Zärtlichkeit, ja fast Ergebenheit darin.
»Theodora«, antwortete er und gab ihr – einen Stirnkuss.
Theodora zuckte unter dieser Geste zusammen wie nach einem Stich. Doch sie bemühte sich, ihr Lächeln zu behalten. Gemeinsam setzten sie sich auf den Brunnenrand. Eine Weile sah sie ihm zu, wie er genüsslich an seiner Orange lutschte, dann sagte sie: »Nun?«
»Nun was?«
»Du bist wortkarg. Ich komme mir vor wie ein junges Mädchen, das gerade zum ersten Mal neben einen Mann gesetzt worden ist.«
Er lachte. »Ein Mädchen? Nein, das bist du nicht, Theodora.«
Ihr Lächeln verschwand. Sie schluckte. »Es . . . es ist schön, dich hier zu sehen.«
Er summte eine Bestätigung, dann streckte er sich, als habe er gerade einer unendlich langen Geschichte zugehört. »Ich bin gekommen, um dir den Weg in den Lateran abzunehmen. Dort hättest du mich doch gewiss in den nächsten Stunden aufgesucht, wie ich dich kenne. Nach diesen schlimmen Nachrichten . . . Ich ziehe es jedoch vor, in meinem Palast nicht gestört zu werden.«
Sie war nahe daran, aufzuspringen, aber irgendetwas hinderte sie daran, ihre Gefühle so deutlich zu zeigen. Stattdessen straffte sie ihren
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