Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
innigen Abschied von Clemens, ritt die Herzogin in Begleitung einer Wache aus dem Klostertor.
Alberic stieß die Tür auf und ging hinaus auf die Plattform des Burgturmes. Seine Hände klammerten sich derart fest an die Zinnen, dass ein wenig von dem losen Mörtel bröckelte und auf seine Schuhe fiel. Er atmete schwer, blickte zum Himmel. Über ihm eilten die Wolken hinweg, vom Osten kommend zu den schneebedeckten Bergen der Abruzzen, wo sie sich dunkel grollend stauten. Der Wind toste, aber er vermochte nicht das Geschrei zu übertönen, das aus dem Gemach kam, dem er soeben entflohen war.
». . . wenn er sich weigert«, hörte er Marocia rufen, »dann weigern sich auch andere. Die haben doch die Bevormundung durch Byzanz längst über . . .«
». . . seid nicht kompetent . . .«, entgegnete Desiderius. Und Marschall Agipert schrie dazwischen: ». . . Berengars Krönungsgefolge bereits unmittelbar vor unseren Grenzen!«
»Straßen kann man sperren. Es ist Alberics Land.«
». . . wäre eine ungeheuerliche Provokation . . . habt Ihr außerdem nicht zu bestimmen . . .«
»Ihr auch nicht.«
Nach diesem Satz kehrte Stille ein, so als fiele erst jetzt auf, dass die Hauptperson, der Richter in diesem Disput, nicht mehr zugegen war, und einen Moment später strömten die drei Streithähne zu Alberic auf den Turm und umringten ihn wie eine Meute das Opfer. Unterschiedlicher hätten sie nicht sein können, bemerkte Alberic. Gegen den silbernen Brustpanzer Agiperts und das schwarz-rote Gewand des Bischofs wirkte Marocia in ihrer zerschlissenen Kleidung wie eine Lumpensammlerin. Sie hatte sich nach ihrem tagelangen Gewaltritt durch Schnee und Schlamm nicht einmal die Ruhe gegönnt, sich umzukleiden oder die rissige Haut zu pflegen, sondern war sofort in seine Ratssitzung gestürmt. Kein Zweifel, dachte Alberic, sie war besessen, aber ihre Stärke imponierte ihm auch. Unsicher sah er sie an.
»Alberic«, begann Marocia. »Wenn du die Straßen sperrst, kommt Berengar nicht zu seiner Krönung.«
»Dann benutzt er eben die toskanischen Straßen«, berichtigte Agipert.
»Dazu muss er mitten im Winter über den nördlichen Apennin, und das mit seinem riesigen Gefolge. Das schafft er nicht. Ich habe gerade die Abruzzen hinter mir, und die sind weniger gefährlich.«
»Dann umgeht er den Apennin eben.«
»Das dauert Wochen«, konterte Marocia. »Bis dahin hat sich der Widerstand gegen ihn formiert, da bin ich sicher.«
Agipert lief rot vor Wut an und klopfte sich mit der Faust auf die Brust, aber er brachte keinen Laut mehr hervor. Stattdessen klopfte er sich ein zweites Mal auf die Brust, so als wäre dies das beste Argument für seine Autorität.
Desiderius war es, der die Lautstärke aus dem Disput nahm. Er faltete die Hände. Eindringlich, aber ruhig warnte er Alberic: »Haltet Euch vor Augen, Durchlaucht, dass Ihr von dem Moment an, an dem Ihr Berengar die Unterstützung verweigert, sein Feind seid.« Und mit Betonung fügte er hinzu: »Sein
Tod
feind.«
Marocia passte sich dem Ton des Bischofs an. »Das seid Ihr in jedem Fall, Alberic. Wenn Berengar erst König ist, wird er mit Hilfe von Theodora, Papst Johannes und dem byzantinischen Kaiser einen Landesfürsten nach dem anderen gefügig oder unschädlich machen, entweder mit eiserner Knute – oder mit Mord.«
Erneut brachen die Kontrahenten in heftige Debatten aus, doch Alberic wandte sich wieder den Bergen und dem Tal zu. Sein Blick folgte einem Bussard, der nicht weit von der Burg entfernt in der Luft kreiste. Ab und an trug der Wind sein Krächzen heran, einen Laut, von dem man nicht wusste, ob er Stärke oder Verzweiflung ausdrücken sollte, Warnung oder Angst. Einmal stieß der majestätische Vogel nach unten, fing aber seinen Angriff auf halber Höhe ab und schwang sich langsam, von Böen getragen, wieder hinauf. Dann kam ein zweiter Bussard hinzu. Sie umkreisten sich, schienen miteinander zu spielen, und plötzlich schien es Alberic, als drückte ihr Krächzen nichts anderes als Zuneigung aus.
Er seufzte, dann sah er Agipert an. »Wie viele Soldaten brauchen wir, um die Straßen zu sperren?«
»Dieser Schwachkopf!«, rief Theodora, sprang auf und sah ihren
secretarius
, der die Botschaft in das Arbeitszimmer gebracht hatte, mit flackernden Augen an. »Ich hätte Berengar mehr Geschick zugetraut – und mehr Erfolg.«
»Tja«, sagte der
secretarius
und zuckte ratlos mit den Schultern.
»Hör auf zu grinsen«, fuhr sie ihn an. »Die Situation ist
Weitere Kostenlose Bücher