Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Rücken.
»Ja, wir haben ein Problem«, stellte sie so sachlich wie möglich fest.
Johannes hob den Zeigefinger und lächelte sie an. »
Du
hast ein Problem, meine liebe Theodora.
Ich
soll dem alten Schlächter lediglich die Krone aufsetzen.« Er biss ein weiteres Mal in die saftige Frucht, dann fügte er schmatzend hinzu: »Aber ich bin gerne bereit, dir mit meinem Rat beizustehen, denn offensichtlich bist du alleine den Fähigkeiten Marocias nicht gewachsen.«
Theodoras Gesicht bebte. Aber gerade, als sie so weit war, ihrem Geliebten eine Ohrfeige zu verpassen, legte er den Arm um sie und zog sie an sich. Ihre Wut verrauchte binnen eines Augenblicks.
»Ich hätte da auch schon eine Idee«, meinte Johannes und blickte wie ein Visionär in die Unendlichkeit des Himmels. »Gewiss ist Alberic viel zu unentschlossen, den Widerstand ohne Marocia im Hintergrund lange durchzuhalten. Wie wäre es also, wenn ich sie wieder nach Rom hole?«
Theodora ließ ihren Kopf auf Johannes’ Schulter sinken. »Das dürfte schwierig werden, Liebster. Was sollte sie wohl hierher locken?«
»Ich«, rief er und lächelte von einem Ohr zum anderen.
»Wie bitte?«
»Ich biete ihr einen Platz an meiner Seite. Außerdem ernenne ich sie zur zweiten Senatrix von Rom. Du hast sicher nichts dagegen, Theodora. Ihr könntet doch zusammenarbeiten und . . . Was ist denn? Ich meine es doch nur gut.«
Theodora blickte ihren Gefährten lange an, als forsche sie in seinen blauen Augen nach der Wahrheit.
»Du willst mich loswerden«, hauchte sie.
»Aber nein, ich . . .«
»Abräumen wie ein zerkratztes Geschirr.« Sie machte sich von seiner Umarmung frei und näherte sich ihm so weit, dass ihre Nasen fast aneinander stießen. »Aber das lass dir sagen: Auch Päpste können fallen. Glaubst du, du könntest dich auch nur ein einziges Jahr ohne mich halten? Deine Eitelkeit macht dich völlig blind, du bist doch noch nicht einmal in der Lage, deine Feinde zu erkennen. Desiderius, die falsche Schlange, der Meister des doppelten Gesichts, und Marocia, die dich verabscheut . . .«
Für einen Moment entglitten ihm alle Gesichtszüge. »Du lügst. Sie verabscheut mich nicht. Im Gegenteil, sie hat damals ihr Kind verloren, nur um mit mir . . . Als Zeichen für mich . . . Sie und ich, wir . . .«
Theodora sah Johannes stirnrunzelnd an. »Wovon, bitte, redest du da? Sie wollte noch nie etwas von dir wissen, und das wird auch so bleiben, bis in alle . . .«
»Nein!«, schrie Johannes derart laut, dass Theodora zusammenzuckte. Ohne ein weiteres Wort sprang er auf und eilte davon. Theodora blieb zurück, verwirrt wie noch nie. Was, bei allen Heiligen, ging nur im Kopf dieses Mannes vor?
19
Die Burg von Spoleto mit ihren vier mächtigen Ecktürmen hätte nicht massiver gebaut sein können. Vor einem halben Jahrhundert erst errichtet, waren dicke Quadersteine zu ihrem Bau verwendet worden, die den Vorteil hatten, jedem bekannten Belagerungsgerät standhalten zu können. Ein angenehmer Nebeneffekt – und den Damen der Burg weitaus wichtiger – war, dass es innerhalb der Mauern der Wohntürme im Sommer angenehm kühl war, während draußen bereits die Luft schwer auf den Menschen lastete. Doch in diesem Jahr war alles anders. Nach dreiwöchigem, ununterbrochenem Sonnenschein glühten sogar die Innenwände der Mauern wie ein Kaminfeuer, und vor allem Damiane, die ihre Kindheit in den Hochlagen des Taunus verlebt hatte und sich ohnehin noch nie mit den Temperaturen Italiens anfreunden konnte, ermattete in diesen Juniwochen zunehmend.
In einer dieser unerträglichen Nächte machte Damiane einen Spaziergang auf der Außenmauer der Burg, wo sie jeden Windhauch wie ein Geschenk begrüßte und sich in die Dunkelheit vertiefte. Die Berge, die sich wie mächtige Phantome hinter ihr auftürmten, interessierten sie dabei nicht; ihr Blick ging lange zu jenem winzigen schwarzen Punkt im Tal, der die Kuppel von
Sanctus Paulus
darstellte. Was wohl Gratian gerade machte? Ob er vielleicht aus einem der Fenster zu ihr hinaufsah? Sie wandte sich um und seufzte. Selbst wenn, dachte sie, was halfen ihr diese verstohlenen Blicke durch die Finsternis schon? Gratian war fern, ferner denn je, und das, nachdem sie sich doch früher so nah gewesen waren, damals, im Lateran, in den Nischen und Kammern. Wo war nur diese unbefangene und unverfälschte, diese alberne und abenteuerliche Zeit geblieben?
Unten im Hof fuhr eine Kutsche vor, und gleichzeitig kamen zwei Gestalten aus dem
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