Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
immer einen Gegner finden oder von einem gefunden werden. Wir lieben uns, zum Glück, denn ansonsten müssten wir uns hassen. Du machst dich nur lächerlich, wenn du es leugnest.«
Marocia stand ruckartig auf und ging einige Schritte zu einem aufgeschlagenen Buch, das auf einer Kanzel neben dem Altar auslag. Es war die alte Originalabschrift des Johannesevangeliums. Sie war von Mönchen des Klosters nachträglich mit kunstvollen Bildern und Kalligrafien illustriert worden. Ihr fliehender Blick glitt über die Seiten, beobachtet von Hugo, der sie keinen Moment aus den Augen ließ.
Schließlich sah sie zu ihm hin. »Ich habe es vor Jahren schon einmal einem Mann gesagt: Ich bin verheiratet.«
Hugo grinste verächtlich. »Wenn er sich davon hat zurückhalten lassen, war er ein Narr. Verheiratet! Ein Vertragswerk, ein Stück Papier, ein Schwur in den Wind gesprochen.«
Langsam ging sie wieder auf ihn zu, und er zog sie auf die Bank und küsste sie leidenschaftlich. »Ich weiß, was du denkst. Es ist gefährlich, willst du sagen. Ja, das ist es. Wir könnten entdeckt werden oder im Fegefeuer enden. Das brauchen wir, wir leben von dieser Spannung, ohne sie kümmern wir dahin. Wir würden es überhaupt nicht tun, wenn es nicht gefährlich wäre.«
Seine Lippen bedeckten Marocias Gesicht mit Küssen. Sie rührte sich zuerst kaum, spürte nur, wie ihr Leib zitterte, ihre Hände einen anderen Halt als diesen Mann vor ihr suchten, ihre Gedanken einen Ausweg, aber dann wusste sie, dass sie nichts davon wirklich wollte. Sie schloss die Augen, spannte ihren Körper, reckte die Arme nach oben, hin zu den Wölbungen der Abtei.
»Himmel, was tun wir hier?«, flüsterte sie umnachtet.
»Das, was uns Freude macht«, hauchte er. »Wir zerschmettern die Gebote.«
Sie erwiderte seine Küsse mit einer Heftigkeit, die sie selbst noch nicht an sich gekannt hatte, spürte seine Kraft und seine Leidenschaft auf ihren Lippen, ihrem Hals. Wie lange hatte sie darauf gewartet, in solchen Armen zu liegen. Ihre Finger fuhren ihm durch die Haare, massierten seine Brust. Er hatte Recht, mit jedem Wort. Sie brauchte ihn, liebte ihn – und liebte die Gefahr.
Zwei Wochen später begann Hugos Feldzug im Norden. Berengar, der damit rechnete, dass sein Feind wie im letzten Jahr versuchen würde, ihn zu einer offenen Feldschlacht zu zwingen, verschanzte sich in den Festen von Cremona und Brescia, um Hugo den Marsch nach Osten in friaulisches Gebiet unmöglich zu machen. Als er die Nachricht erhielt, dass Truppen aus der Toskana und Spoleto in sein Hinterland einrückten, war es zu spät. Padua, Este, Vicenza fielen nach nur wenigen Tagen Belagerung, und Berengars gleichnamiger Enkel, der Markgraf von Friaul, agierte derart ungeschickt mit seinen Soldaten, dass er von Guido bald bis an den Alpenrand zurückgedrängt war. Berengar saß in der Falle, aber geschlagen war er noch nicht.
»Frauen gehören nicht auf einen Feldzug!«, rief Marocias junger Sohn Alberic und zog ein verbissenes Gesicht. Wenn er erwartet hatte, dass sein Vater ihm zustimmen würde, täuschte er sich. Herzog Alberic war viel zu beschäftigt, seine silbrig glänzende Rüstung anzuprobieren. Es war nur ein leichter Harnisch, bestehend aus einem dünnen Brustpanzer sowie einer Verkleidung für die Oberarme und einem Helm, der das Gesicht freiließ. Dennoch trug sie der Herzog mit großen Schwierigkeiten, denn weder war er gewohnt, in Rüstungen zu kämpfen, noch war seine körperliche Verfassung dazu geeignet.
»Tja, es ist eben keiner da, der es mir verbieten könnte«, erwiderte Marocia selbstbewusst, woraufhin sich Jung Alberics Miene weiter verdüsterte.
Er stampfte mit dem Fuß auf. »Wenn ich einmal Herzog bin, verbiete ich den Frauen, sich einzumischen.«
»Oho«, rief Marocia gedehnt. »Was meinst du dazu, Eudoxia?« Ihre Tochter stand abseits und verfolgte gleichgültig das Geschehen. Eudoxia war klein und stämmig, mit einem runden, rotbackigen Gesicht und den roten Haaren ihres eigentlichen Vaters. Träge zuckte sie mit den Schultern, eine Geste, die man häufig von ihr sah.
Damiane griff in das Gespräch ein. »Bevor du dein abschließendes Urteil fällst, musst du wissen, dass deine Mutter vor einigen Jahren einen Sarazenen zur Strecke gebracht hat. Mit eigener Hand.«
Der junge Alberic staunte einen Moment mit großen Augen, dann sagte er: »Na und? Das ist gar nichts gegen die vielen Männer, die Vater schon bezwungen hat. Nicht wahr, Vater, das habt Ihr
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