Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Hälfte?«
»Ich höre es nicht gern, wenn du fluchst.«
Marocia betonte jedes einzelne Wort. »Wo ist sie?«
»Der Graf von Camerino weigert sich, mir Bewaffnete zur Verfügung zu stellen.«
»Er ist dein geschworener Vasall«, rief Marocia mit großen, hektischen Augen. »Wenn er dir nicht gehorcht, musst du ihn eben dazu zwingen.«
»Und wie? Wenn ich noch diese Woche gegen Rom ziehen soll, kann ich es mir jetzt nicht leisten, ein Heer gegen Camerino zu schicken. Es würde Wochen dauern, vielleicht Monate, ihn zur Räson zu bringen.«
Marocia sah aus, als würde sie ihn jeden Moment erwürgen wollen. Warum fiel Alberic dieser Sachverhalt erst jetzt ein? Wieso musste sie eigentlich immer mit nachgiebigen, strategisch unfähigen Männern an ihrer Seite die Konflikte bestreiten? Sie bebte, gab sich aber Mühe, nicht zu schreien, denn sie wollte ihren Gemahl nicht vor dem Erzbischof und noch weniger vor ihren Kindern bloßstellen.
Marocia atmete tief durch. »Dann werde eben ich dafür sorgen, dass Camerino seinen Eid erfüllt. Und du brauchst mir nicht einen einzigen Mann dafür mitzugeben, Alberic.«
Niemand am Tisch hatte eine Ahnung, was Marocia vorhatte, aber als die Herzogin gegangen war, blickte der junge Alberic seinen Vater fast tröstend an und sagte: »Das schafft sie nicht. Sie ist nur eine Frau.«
»Sie muss weg«, sagte Johannes. Abwechselnd blickte er Desiderius an und ein Kristallglas, das er langsam in seiner Hand drehte. »So, dass es wie ein natürlicher Tod wirkt.«
»Ich dachte, Ihr seid ihr verbunden?«
»Ich war ihr nie verbunden, sie war mir immer nur eine Last. Und jetzt . . .«
»Ich verstehe. Sie könnte zu einer Gefahr werden.« Die Gedanken des Papstes waren ein offenes Buch für Desiderius. Mit Berengars Niederlage und Tod war eine kritische Lage eingetreten, und Johannes überlegte nun, wie er den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte, die sich um Rom zu legen begann. Zwar hatte er wichtige Adelige wie den Grafen von Camerino bestechen können, die feindliche Koalition nicht zu unterstützen, aber das war keine Garantie dafür, dass nicht doch irgendwann ein Heer in das Patrimonium einfallen würde. Johannes hatte keine Bedenken, seine Fahne in den Wind zu hängen, aber es gab eine Person, die das niemals erlauben würde: Theodora. Nur ihr Tod eröffnete die Möglichkeit eines Seitenwechsels.
Johannes schob ihm mit zitternden Händen ein kleines, verschlossenes Gefäß zu und blickte ihn fast bittend an. »Ich habe mich immer auf dich verlassen können, Desiderius.«
Desiderius nahm das Gefäß an sich. »Das könnt Ihr auch diesmal, Heiligkeit.« Doch er hatte keineswegs vor, das Gift nur gegen Theodora einzusetzen.
Die Feste von Camerino galt als nahezu uneinnehmbar. In einer derart bergigen, gerölligen Gegend ein größeres Heer aufmarschieren zu lassen war fast unmöglich, während ein kleineres kaum gegen die Trutzburg ankommen konnte. In ihrem Innern hatten bis zu vierhundert Soldaten Platz, und der Graf hatte diese Kapazität voll ausgeschöpft und sich verschanzt.
Marocia hingegen hatte lediglich ihre fünfzig Mann starke Leibwache mitgenommen, aber sie plante ja auch keinen Angriff, obwohl einige ihrer Soldaten das insgeheim vermuteten.
Der kleine Graf Garibald von Camerino grinste unter seinem feinen schwarzen Oberlippenbart hindurch, als er seinen Gast begrüßte. Er amüsierte sich köstlich darüber, dass der Herzog bloß sein Weib schickte, um ihn zum Einlenken zu bewegen. Bester Laune schenkte er der Besucherin von einem besonders guten Wein ein, vor allem, um ihr zu demonstrieren, wie üppig die Nahrungsvorräte der Feste waren. »Eigentlich müsste ich damit gar nicht prahlen«, flötete er, während er Marocia den Kelch reichte. »Wie meine Späher mir berichten, habt Ihr nur ein paar Dutzend Soldaten dabei. Für eine Belagerung dürfte das kaum ausreichen, meine Liebe.«
Marocia überging seine respektlose, übermütige Anrede. Sie hatte ohnehin keine Lust, sich lange mit dem Grafen aufzuhalten. »Ihr habt zweifellos eine gefüllte Schatztruhe aus Rom bekommen dafür, dass Ihr Euch sträubt, dem Herzog mit Waffenträgern zu dienen.«
Er machte eine lässige Handbewegung. »Ich kann nicht klagen, meine Liebe. Wirklich nicht.«
»Ihr denkt an nichts anderes als Geld, habe ich Recht?«
Er schmunzelte und fuhr sich mit dem Finger über den Bart, um ihn zu glätten. »Aber natürlich denke ich an mehr als nur Geld. Also zum Beispiel an Perlen, Schmuck,
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