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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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weshalb sie ausgerechnet den Grafen von Camerino zu ihrem dortigen Kommissar bestimmte. Zum einen wäre es schwer gewesen, an diesem mächtigsten Vasallen des Herzogtums vorbeizuregieren, zum anderen würde sie mit dieser Position seine Eitelkeit befriedigen und ihm Dankbarkeit abnötigen dafür, dass sie sich ihm gegenüber nicht nachtragend zeigte. So machte sie aus dem Gegner von gestern den Verbündeten von heute.
    Mehr Kopfzerbrechen bereitete ihr die Bestandsaufnahme der römischen Verhältnisse. Dreißig Jahre der Herrschaft von Ageltrudis, Theodora und ihren päpstlichen Papageien hatten tiefe und schmutzige Spuren hinterlassen. Fast der gesamte Beamtenapparat Roms war offensichtlich korrumpiert und traf willkürliche Entscheidungen. Die Gerichte funktionierten überhaupt nicht; statt Recht in den Verfahren wiederherzustellen, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, häuften sie mit ihren himmelschreienden Urteilen häufig genug noch weiteres Unrecht hinzu.
    Marocia setzte daher das seit dem Untergang des Weströmischen Reiches nicht mehr angewandte Römische Recht wieder in Kraft. Statt eines einzelnen
praetors
, der leicht zu bestechen war, untersuchte und beurteilte künftig ein
concilium
, ein Beirat, der sich aus Fachjuristen wie auch aus Laien zusammensetzte, die gerichtlichen Angelegenheiten. Weiterhin schrieb sie: »War es in der Vergangenheit üblich, dass der Ankläger bei Verurteilung des Angeklagten Anspruch auf ein Drittel seines Vermögens hatte, verfüge ich, dass mit Inkraftsetzung des Römischen Rechts dieser Missstand abgeschafft ist. Niemand soll einen anderen wegen Mordes, Hochverrats oder anderer Gewaltverbrechen anklagen, weil er sich Reichtum davon verspricht. Ferner wird der Magistrat damit beauftragt, eine Kommission zu bilden, deren Aufgabe es sein soll, die Gesetze laufend dahingehend zu überarbeiten, dass sie zeitgemäß sind und nicht, wie bisher der Fall, fünfhundert Jahre und mehr unverändert bleiben. Nach Beratung mit angesehenen Juristen des Königreiches werde ich in Kürze . . .«
    Das Tageslicht schwand. Marocia ließ die Feder sinken, stützte ihr Kinn auf die Fingerspitzen und sah zum Fenster hinaus, wo der Tiber grau und schwer und unaufhaltsam wie die Zeit an ihr vorbeifloss. Sie war seit Tagen in melancholischer Stimmung, dachte viel an ihre Mutter, ihren Vater und ihren Bruder, deren Gräber sie noch immer nicht besucht hatte. Über drei Kirchen waren sie verstreut, wie im Leben, so auch im Tod weit voneinander entfernt. Doch nun, wo überall der Friede einkehrte, wollte auch Marocia ihren Frieden mit den Eltern machen, von denen der eine immer zu schwach und die andere zu vehement für sie gewesen war. Sie würde Theophyl und Leon in Theodoras Grabeskirche
Sanctus Sebastianus
umbetten lassen und damit einen Schlusspunkt unter so viel Fremdheit und Feindschaft setzen.
    Marocia seufzte und legte den Kopf in den Nacken. Die Wellen des Tibers spiegelten sich an der Decke wider, deren meerblaue Ornamentik der des Kaiserpalastes in Ravenna nachempfunden war. Ravenna! Was waren das für Stunden gewesen! Alles hatte sie dort vergessen können, jeden Gedanken, jede Vorsicht, jedes Zählen und Wiegen. Allein die Erinnerung an Hugo, der allzu fern seinen Krieg führte, gab ihr Kraft. Aber da war noch etwas anderes, ein unerwartetes Geschenk . . .
    Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Eudoxias rundlicher Kopf tauchte darin auf. »Es wird dunkel«, sagte sie ohne Betonung, wie immer. »Ist es jetzt so weit?«
    »Kommt herein!«, rief Marocia und lächelte gegen die gelangweilte Miene Eudoxias und die mürrische Miene Alberics an. Heute war das Weihnachtsfest, das erste ohne deren Vater, und Marocia hatte sich etwas Besonderes für die Kinder ausgedacht.
    Sie ging zu einem Weidenkorb und lupfte die Decke hoch. Ein junger Jagdhund sprang heraus und lief Alberic direkt in die Arme. Er leckte mit der Zunge an Alberics Kinn und quietschte übermütig. Wieder und wieder streichelte Alberic über das kurze hellbraune Fell des Hundes. Seine Augen leuchteten. »Cicero«, rief er. »Mein lieber Cicero.«
    Marocia lachte. »Originell. Ein Hund mit Dichternamen.«
    »Cicero war ein großer Römer«, erklärte Alberic, der seit einiger Zeit gar nicht genug von Rom bekommen konnte und alles über die Geschichte der Stadt lernte. Auch Eudoxia kam nun heran und fuhr Cicero zögerlich über den Rücken. Als der Hund es geschehen ließ und sie begrüßte, ging ein seltenes Strahlen über ihr

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