Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Clemens?«
Das Nicken der Zofe brachte ihr schreckliche Gewissheit. Ihr ältester, jetzt einundzwanzigjähriger Sohn war von Hugo zum Pontifex gemacht worden, so wie Sergius es sich auf dem Sterbebett gewünscht hatte. Doch was dem Vater des Jungen so viel bedeutet hatte, war für Hugo nichts anderes als eine böse Posse; er würde dem schwachen Clemens die Unterschrift zu den schrecklichsten Verbrechen abfordern können – wissend, dass sie, Marocia, es doch irgendwie erfahren und umso mehr leiden würde. Vielleicht hatte sie Hugo unterschätzt. Er bereitete ihr mehr Qualen, als sie es noch vor wenigen Wochen für möglich gehalten hatte, und sie vermochte weit und breit niemanden zu entdecken, der dem entsetzlichen Spuk ein schnelles Ende würde bereiten können. Marocia stellte sich auf eine lange Gefangenschaft ein.
Hugo ließ einen großen Schluck des leichten toskanischen Weines die Kehle hinunterrieseln und stellte den Kelch schmatzend auf der Tafel ab. Dies war ein Abend nach seinem Geschmack. Der Festsaal der Villa Fortuna erzitterte unter rauem Gelächter, der Wein floss in Strömen, und die aufreizendsten und freizügigsten Schankmädchen der Stadt servierten ihn. Weder hohe Würdenträger noch Prälaten waren da, die zwar den Rücken vor ihm krümmten, aber heimlich auf ihn als Emporkömmling herabsahen. Nein, eingeladen waren die einzigen Menschen, auf deren Zuneigung und Treue er sich verlassen konnte, seine Offiziere. Mit ihnen feierte er jene Ereignisse, die ihn zum glücklichsten Menschen des Landes machten.
Desiderius hatte es geschafft. Vor wenigen Tagen war die Botschaft eingetroffen, dass Hugos Kaiserkrönung aus byzantinischer Sicht nichts mehr entgegenstünde. Täglich konnte Desiderius mit der formellen Bestätigung in Rom eintreffen. Und damit nicht genug, hatte Hugo heute eine Vereinbarung mit dem Grafen von Camerino getroffen, Marocias und Alberics Statthalter in Spoleto. Dieser erklärte Alberic für regierungsunfähig und überschrieb den Titel an Boso.
Mit diesem Handel hatte Hugo das ganze Nord- und Mittelitalien unter seine unmittelbare Kontrolle gebracht. Die Lombardei und Friaul regierte er selbst, in der Toskana und Spoleto herrschte er nun mittels seines Bruders Boso, den er sich gefügig gemacht hatte. Die Dinge konnten nicht besser laufen. Er zupfte den jungen Mann, der an seiner Seite saß, am Ärmel. »Nicht wahr,
hochgeschätzte
Heiligkeit
«, fragte er übertrieben feierlich, »Ihr werdet der Übertragung Spoletos Euren Segen geben? Und Euch auch nicht wieder so unsinnig sträuben wie bei der Sache mit der Toskana?«
»Nichts lieber als das«, bestätigte Clemens mit Nachdruck. »Es ist mir eine Freude, dabei behilflich zu sein, Alberic zu entmachten.«
»Prächtig.« Hugo klopfte seinem ehemaligen Stiefsohn auf die Schulter und erhob sich. »Darauf trinke ich«, grölte er in den lärmerfüllten Saal. »Auf die Geschwisterliebe.«
Ein lallendes Echo donnerte dem König entgegen. Glücklich wie nie leerte er seinen Kelch in einem Zug, schmatzte und ließ sich wieder entspannt auf seinen Stuhl zurückfallen. Neugierig geworden, warum Clemens so begeistert die Entwürdigung seines Halbbruders unterstützte, sprach er ihn darauf an.
Clemens’ zierliche Hände krampften sich um einen Hühnerknochen, und sein bleiches, schmächtiges Gesicht blickte so düster, wie es konnte, als er antwortete. »Als wir noch Kinder waren, hat er auf mich herabgesehen, weil ich ein Bastard bin und weil ich nicht von seinem ehrwürdigen Vater abstamme. Beleidigt hat er mich, schlecht gemacht, in jedem Kampf besiegt. Es gab kaum eine Nacht, in der ich nicht von ihm geträumt habe. Tags verfluchte ich ihn. Und einmal, einmal war es besonders schlimm. Wir hatten mal wieder gerauft, er natürlich gewonnen. Und dann sagte er mir, dass ich eines Tages sein Diener sei. Das werde ich nie vergessen.«
»Sein . . .« Hugo lachte. »Sein Diener? Na, herrlich, und heute bist du das Oberhaupt der Christenheit und er ein Niemand.«
Clemens wandte sich Hugo zu. »Ich wünschte, er könnte nun
mein
Diener sein. Ich meine, nach allem, was ich für dich schon getan habe, wäre das doch eine nette Geste von dir.«
Hugo überlegte. Er wollte nichts Unbesonnenes tun, aber dieser Abend war so herrlich, so leicht vom Wein. Außerdem konnte ihm dieser eine Gefallen, der ihn selbst weder Geld noch Skrupel kostete, viele schnelle Unterschriften dieses jämmerlichen Papstes einbringen.
War es ein Zufall oder
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