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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Erste, was ihr im Angesicht Marocias über die Lippen kam, war die Frage an den Bischof: »Wann wird das Urteil verkündet?«
    »Morgen.«
    »Und wie wird das Urteil lauten?«
    »Wir, die Äbte von Farfa und Mons Cassinus sowie ich selbst, sind durch Gottes Gnade zu einem Schuldspruch gekommen, den wir der weltlichen Gerichtsbarkeit empfehlen.«
    Adelheid sah Marocia an. »Noch Fragen, Senatrix?«
    Liudprand sah erleichtert, dass Marocias Frisur so gesteckt war, dass die Wunde an ihrer Stirn von dicken grauen Strähnen verdeckt war. Und trotzdem war ihre ganze Anwesenheit hier eine Drohung. Wenn sie nun Adelheid von seinem Ausrutscher in der Kapelle erzählen würde und wenn sie ihre Verstrickungen mit dem heiligen Odo offen legen sollte . . .
    Liudprand räusperte sich, bevor er seiner Aussage hinzufügte: »Die Hinrichtung soll im Innern der Engelsburg vollstreckt werden.«
    Adelheid zog die Brauen hoch. »Nicht öffentlich? Aber schriebt Ihr nicht . . . War es nicht so, dass der eigentliche Zweck . . .«
    Adelheids nachdenkliche Verwirrung nutzte Liudprand, um sie zu unterbrechen.
    »Sie hat den Pontifex seiner rechtmäßig verhängten Strafe entzogen. Nur deswegen wurde sie verurteilt. Eine öffentliche Hinrichtung wäre dem Verbrechen nicht angemessen.«
    Die Überraschung stand der Kaiserin ins Gesicht geschrieben. »Nun denn, wenn das die einzige Verfehlung ist«, meinte sie gedämpft. »So bereitet für morgen alles vor, ehrwürdiger Bischof.«
    Liudprand von Cremona stützte sich bei seiner Verbeugung auf den Stock und hinkte hinaus. Die beiden Frauen waren nun allein miteinander, zum ersten Mal überhaupt. Natürlich kannten sie sich schon seit vielen Jahren – immerhin war Adelheid einst die Stiefschwiegertochter Marocias gewesen. Doch so nahe wie jetzt . . .
    Adelheid erkannte Gemeinsamkeiten an der Senatrix. Wie sie konnte sie Augen und Mund ebenso widerspenstig in Stellung bringen, und sie gebrauchte diese Mimik vor allem gegen Otto, der die Meinung einer Gemahlin im Grunde so wenig ernst nahm wie die meisten Männer. Sie aber hatte viele Jahre gegen diese Arroganz gekämpft, und wenn sie es auch nicht gerne zugab, so wusste sie doch, dass Marocia ihr den letztendlichen Erfolg erleichtert hatte. Immerhin war die Römerin es gewesen, die Otto erstmalig bewiesen hatte, dass im Prinzip auch eine Frau über politisches Geschick verfügen kann. Wenn eine, warum dann nicht auch eine zweite?
    Ja, sie und Marocia hatten sich ihren Rang mühsam erobern müssen. Sie waren vielen Wechselfällen des Schicksals ausgesetzt gewesen, hatten leiden müssen, hatten Siege erfochten und Rückschläge ertragen. Doch damit, dachte Adelheid, waren die Gemeinsamkeiten auch schon erschöpft. Sie war gottesfürchtig, Marocia blasphemisch; sie war eine gesalbte Monarchin, Marocia eine intrigante Autokratin von eigenen Gnaden; sie war sich demütig ihrer bescheidenen Stellung im Weltgefüge des Herrn bewusst, Marocia war eine überhebliche Zynikerin, der nichts so heilig war, als dass es nicht für ihre Machtpolitik herhalten musste.
    »Ich bekenne, nicht sonderlich traurig über Euren bevorstehenden Untergang zu sein«, sagte Adelheid und fixierte ihr Pendant.
    Marocia hielt dem Blick der Monarchin stand.
    »Ich auch nicht«, sagte sie und überraschte Adelheid einmal mehr.
    »Ihr würdet wieder so hochverräterisch handeln?«
    »Ich würde wieder meinen Enkel beschützen.«
    »Was auf dasselbe herauskommt.«
    Marocia lächelte müde. »Eine Mutter kennt keinen Hochverrat, wenn es um ihr Kind geht. Und eine Großmutter schon gar nicht. Aber es ging mir noch um etwas anderes, Majestät. Ich musste der Verantwortung gerecht werden, die ich für Octavian hatte.«
    Adelheid runzelte die Stirn. »Erklärt mir das.«
    Marocia blickte sich um. »Hier ist es ungemütlich, findet Ihr nicht? Ich hoffe, Euer Stolz geht nicht so fehl wie der des Bischofs, und Ihr nehmt eine Einladung in eines meiner Gemächer an. Ich versichere Euch, dort wohnt kein Teufel. Jedenfalls ist mir noch keiner begegnet.«
    »Ich verstehe«, sagte Adelheid nachdenklich und nickte. Sie zog an der Senatrix vorbei auf den Gang, wartete dort auf sie und ließ sich immer wieder den Weg weisen, während Marocia zu erklären begann.
    »Im Grunde trage ich die Verantwortung für Octavians Werdegang, für seinen amtlichen zumindest. Die Geschichte dieses Verderbens begann an einem . . .«

40
    Donnerschläge krachten durch die abendliche Dunkelheit, als Marocias Familie

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