Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
viel lachte und niemandem Sorgen bereitete. Indes fehlte ihm die Neigung zum Politischen oder Religiösen.
Die Kunst hatte es ihm angetan, und Marocia hatte schon manches Mal gedacht, dass er als zweiter oder dritter Sohn irgendeines gewöhnlichen Adeligen besser dran gewesen wäre, denn dann hätte er einfach Mäzen werden und unentwegt mit Kirchenbaumeistern über den neuen Baustil diskutieren können. Dem einzigen Sohn des römischen Prinzeps dagegen stand ein solcher Wunsch nicht frei. Obwohl Marocia ihrem Enkel einen mitleidigen Blick zuwarf, sah sie doch ein, dass Alberic so handeln musste, wollte er die Zukunft der Familie sichern.
Alberic war noch nicht fertig. »Außerdem braucht Rom zusätzlich einen Senator oder Prinzeps, und wir sollten nicht so töricht sein, dieses wichtige Amt jemandem zu übertragen, der nicht zur Familie gehört. Zunächst habe ich an dich gedacht, Priscian, doch du wirst eines Tages über Capua-Benevent herrschen, was sich nicht mit der Führung Roms verträgt. Die Stadt muss unabhängig bleiben. Das«, schloss er mit einem ebenso innigen wie warnenden Blick auf seine Mutter, »ist der einzige Wunsch, den ich noch habe.«
Cato, der Sohn des schon vor Jahren gestorbenen Cicero, stand schwanzwedelnd vor Alberics Sessel und bellte dreimal laut. Dann versuchte er auf den Schoß zu springen, aber Alberic wehrte ihn ab, denn der Hund war schwer und der Prinzeps schwach und schweratmig. Enttäuscht suchte er bei Marocia sein Glück und hatte Erfolg. Sie war so abgelenkt, dass sie Cato erst bemerkte, als er schon hochgesprungen war. Sie streichelte den Jagdhund und bewegte ihn dazu, sich quer über ihre Beine zu legen. »Warum siehst du mich dabei so an?«, fragte sie Alberic. »Wie ich dir damals versprochen habe, hat König Otto Rom bisher nicht bedrängt und . . .«
Alberic unterbrach seine Mutter mit erhobener Hand. Er wirkte derart zerbrechlich, dass Marocia ihm in letzter Zeit nicht mehr widersprach, jeden Willen ließ und ungefragt kaum noch eine Meinung äußerte, aus Angst, ihn aufzuregen. Artig schwieg sie daher und wartete, dass er langsam schluckte und sagte: »Ich möchte, Mutter, dass Ihr für den Fall, dass mir etwas zustößt, die Verantwortung für Rom wieder übernehmt.«
Diese Bekanntmachung zuckte wie einer der Blitze des tobenden Gewitters über die Anwesenden herein, aber niemand hätte überraschter als Marocia von dem Angebot sein können. Ihr Sohn hatte nie etwas in dieser Richtung durchblicken lassen, und obwohl sie sich in den letzten Jahren viel um ihn bemüht hatte, hatte er ihr nicht das Gefühl gegeben, sie zu schätzen oder gar zu lieben. Aber nun, ganz plötzlich, vertraute er ihr das Kostbarste an, was er zu vergeben hatte: seine Stadt, und damit auch die Verantwortung für seine Kinder.
Sie brauchte einen Moment, um das Gehörte zu verstehen und zu verarbeiten. Als es so weit war, stritten Stolz, Rührung und Skepsis in ihr miteinander.
»Mein lieber Junge«, brachte sie schließlich heraus. »Das ist ja wohl ein Witz. Ich bin in diesem Jahr vierundsechzig Jahre alt geworden, und du sprichst von der Zukunft.«
»Dann packt noch ein Vierteljahrhundert drauf, Mutter, und Rom ist gerettet.« Alberic lächelte sie an und reichte ihr seine Hand, damit sie sie drückte, so wie früher, als sie noch gemeinsam in Spoleto lebten. Alles Elend war für einige Momente vergessen. Marocia lachte, und alle anderen fielen ein.
Nur Crescentius nicht. Sein sonst gleichgültiges Gesicht verzog sich zu einer zornigen Grimasse. »Päpste und Fürsten, wohin man sieht. Nur ich gehe leer aus. Hat sich auch jemand über meine Zukunft Gedanken gemacht, oder wäre es euch lieber, wenn ich mich auf der Stelle in den Tiber stürze?«
Alberic wandte sich zu ihm um. Sein geringschätziger Blick sprach Bände. »Wenn du willst, besorge ich dir zu diesem Zweck einen Mühlstein, den du dir um den Hals binden kannst.«
»Alberic!«, mahnte Marocia, der es nicht gefiel, dass ihre Kinder so miteinander redeten.
Aber Crescentius hatte nicht die Absicht, sich von seiner Mutter verteidigen zu lassen. »Du glaubst, besser zu sein als ich, weil du jeden Abend einen Zimmermannssohn aus Holz anbetest. Ihr alle«– er hieb um sich, als mache er einen Schwertstreich –»denkt doch, ich sei ein falscher Hund, nur weil ich Mutter hintergangen habe. Na und? Sie hintergeht ständig, und alle sind begeistert.«
Verlegene Stille machte sich breit. Keiner sah den anderen an, geschweige denn
Weitere Kostenlose Bücher