Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Wrack, und er gönnte ihr jedes einzelne Röcheln, ja, er bedauerte sogar, nicht schuld an ihrem Zustand zu sein.
Wie Schmutz streifte Johannes die Hand der Herzogin ab. »Du hast nichts mehr zu sagen«, hauchte er. »In keiner Hinsicht. Bald bin
ich
es, der gibt und nimmt, erwählt und fallen lässt, wie es ihm passt. Keine Frau wird mehr so über mich bestimmen, wie du es getan hast.«
Ageltrudis regte sich schwächlich. Johannes hob ihren Körper leicht an den Schultern an.
»Hörst du, altes Weib, keine!«, rief er und schüttelte sie, um irgendeine Reaktion zu erhalten. Doch sie blickte ihn nur aus gleichgültigen Augen an, so als sei sie bereits in einer anderen Welt.
Er ließ sie zurückfallen, weil er Schritte hallen hörte. Dem ebenso ungeduldigen wie energischen Auftreten nach gehörten sie zu Theodora, und tatsächlich erschien sie wenige Augenblicke später in dem kahlen und kalten Sterberaum ihrer Gönnerin.
»Ist sie tot?«, waren ihre ersten Worte.
»So gut wie.« Er näherte sich seiner Geliebten und strich ihre langen schwarzen Haare sanft über die Schulter zurück. Offensichtlich war sie bei Eintreffen seiner Nachricht sofort losgefahren, ohne sich Zeit für Frisur oder Gesicht zu nehmen. Dadurch sah sie natürlicher aus als sonst, aber auch älter. Die vielen Besprechungen mit Ageltrudis, die Sorgen, ob nach König Lamberts Tod die Macht gehalten werden konnte, und der stärker werdende Druck der Verantwortung hatten Theodoras Augen seltsam steinern werden lassen. Ihre Mundwinkel zuckten fast ständig vor Nervosität, und sie hatte auch mehr und mehr Mühe, ihrem Körper Schwung und Energie abzutrotzen. So, wie sie wirkte und aussah, dachte Johannes, hätte sie seine Mutter sein können.
»Werde ich nun Kardinal?«, fragte er kokett.
Theodora lächelte vor sich hin. »Wir werden sehen, was wir aus dir machen«, sagte sie. »Wichtig ist, dass du und Sergius in den nächsten Tagen die Vorgänge im Lateran im Auge behaltet. Meine Söldner streifen bereits durch die Straßen und werden etwaige Unruhe zu verhindern wissen. Sergius ist jetzt gerade bei Papst Benedikt, dann gibt es von dieser Seite keine Schwierigkeiten.«
»Können wir uns auf den Kerl verlassen?«
»Sergius? Ich weiß, du magst ihn nicht. Aber finde dich damit ab, dass er zu uns gehört. Er würde nichts tun, was Marocias Familie gefährden könnte.«
»Was ist mit Theophyl? Als Senator könnte er uns Schwierigkeiten beim Machtübergang machen.«
»Betrunken wie immer«, antwortete sie knapp und atmete tief durch. »Hat Ageltrudis noch irgendetwas gesagt, das wichtig sein könnte? Dokumente, Berichte, irgendetwas in dieser Art?«
Ein plötzliches Stammeln von Ageltrudis enthob Johannes einer Antwort. Theodora beugte sich über Ageltrudis’ Körper.
»Theo. . .Theodora?«, hechelte die Sieche. »Ah, gut. Ein Fest für dich, nicht wahr . . .? Tanzt du jetzt . . . auf den Tischen . . . mit Johannes? Freue . . . dich nicht zu früh. Mancher Schein . . . trügt, nicht wahr, Johannes?« Sie schluckte, bat um Wasser, aber Johannes und Theodora rührten sich keinen Fußbreit von ihr weg.
»Weißt du, wovon sie redet?«, fragte Theodora.
Johannes fuhr sich durch die Haare und zuckte mit den Schultern. »Sie fiebert.«
Kurz darauf stöhnte Ageltrudis heftig. »Auf Benedikt aufpassen . . . der nächste König . . . Gefahr . . . die Deutschen . . . Byzanz . . . die Krone . . . die Krone!« Ein entsetzliches Röcheln setzte ein, und ein letztes Mal krümmte sich ihr hagerer Körper. Dann wurde es still, und nur noch die Choräle der Mönche klangen aus der Kapelle herüber.
Zwei liturgische Verse lang verharrten Johannes und seine Geliebte angesichts des Leichnams, dann fiel Theodora ihm in die Arme. »Endlich«, stieß sie hervor. »Endlich die Macht!«
Und er dachte dasselbe.
6
Anno Domini 901
»Und?«, fragte Marocia ihren Bruder. »Was hast du gehört?«
»Nicht viel«, antwortete Leon und gähnte.
»Nicht viel? Um Himmels willen, Leon! Sogar von hier hört man, dass sie mit Johannes streitet, nur eben nicht, worüber.« Sie standen in einem Winkel jenes Treppenaufgangs der Villa Sirene, der zum Schlafgemach Theodoras führte. Marocia hielt eine kleine Kerze in der Hand, deren Lichtschein gerade ausreichte, um Leons verschlafenes Gesicht zu sehen.
»Mama hat etwas über Vater erzählt, und dass sie ihn umbringen will.«
Marocia erschrak. »Unseren Vater ermorden?«
»Nein«, korrigierte Leon. »Ihren Vater.«
Marocia
Weitere Kostenlose Bücher