Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
verdrehte die Augen. »Du dummer Kerl! Mamas Vater ist doch schon gestorben, bevor wir geboren wurden.«
    »Ist er ein Heiliger?«
    »Natürlich nicht!«
    »Dann hat sie wirklich nicht ihn gemeint. Sie hat gesagt, sie wolle ihren heiligen Vater umbringen.«
    Wäre sie nur selbst zur Türe gegangen und hätte gelauscht, dachte Marocia. Aber es war gefährlich, es ohne jemanden zu tun, der gegebenenfalls vor herankommenden Dienern warnte. Leider eignete sich Leon für eine solche Aufgabe noch weniger als für das Lauschen.
    »Du verstehst nichts von dem, was du da gehört hast, habe ich Recht?« Leon war ein gleichgültiger elfjähriger Knabe. Was immer man ihm beizubringen versuchte, er gab sich keine Mühe, es zu begreifen. Zornesröte stieg Marocia ins Gesicht, wenn sie daran dachte, dass ihre Eltern schon vor einiger Zeit im Atrium unter dem Bildnis der Heiligen Mutter Gottes eine Statue ihres Bruders aufgestellt hatten. Nur, weil Leon ein Junge war und daher als Familienerbe galt, verdiente er also den Schutz der Gottesmutter. Wo aber blieb die Statue für sie, für Marocia? Sie verstand schon die meisten politischen Zusammenhänge der Zeit, während er nicht einmal die logische Verbindung der Worte heilig und Vater herstellen konnte.
    »Es ist auch nicht recht zu lauschen«, wich er ihrer Frage aus. »Pater Bernard sagt . . .«
    »Du hast es dem Pater erzählt?«, rief sie derart aufgeregt, dass sie einen kurzen Moment glaubte, jemand habe sie gehört. Doch es blieb still. »Hast du, oder hast du nicht?«
    »Nein«, erklärte Leon. »Aber er würde es bestimmt unchristlich nennen.«
    Marocia verdrehte die Augen. »Unchristlich! Er ist unser Lehrer, und als solcher kann ihm nur daran liegen, dass wir möglichst viel erfahren. Aber es zwingt dich ja keiner, auf meine Weise schlau zu werden. Du kannst ebenso gut in deine Kammer gehen und warten, dass der Herrgott dir Klugheit schenkt. Los, geh schon.«
    »Im Dunkeln?«
    Abermals verdrehte sie die Augen, drückte ihm schließlich die Kerze in die Hand und sah zu, wie er davontapste. So traurig es war, dieser dumpfe Junge war seit einiger Zeit der einzige Gefährte, den sie hatte, und sie würde ein Auge dafür hergegeben haben, wenn er etwas unterhaltsamer gewesen wäre.
    Nach Ageltrudis’ Tod vor nicht ganz zwei Jahren und mit der ansteigenden Macht Theodoras war Marocias Leben wieder trist geworden. Die Pforten in die Welt schlossen sich erneut für sie und hatten die Villa Sirene in ein luxuriöses Gefängnis verwandelt, in das nicht einmal mehr der einstmals so freundliche Kardinal Sergius gelangte. Wenn Marocia ihre Mutter nach dem Warum fragte, erhielt sie keine Antwort. Pater Bernard zeigte sich zunächst ebenfalls verschlossen, wurde aber auf Marocias Drängen hin etwas redseliger, denn er orakelte, dass man Menschen und Gegenstände mit der Zeit noch interessanter machen könne, indem man sie der Welt vorenthalte.
    »Aber inwiefern könnte
ich
wohl begehrenswert für jemanden gemacht werden?«, fragte sie den Pater daraufhin überrascht, woraufhin er murmelte, dass das nicht sein Fachgebiet sei, und die Lehrstunde rasch beendete.
    Da niemand mit Marocia offen über die Geschehnisse um sie herum sprach, versuchte sie, sich die Informationen eben auf anderen, bereits bewährten Wegen zu besorgen: Sie lauschte. Manchmal beobachtete sie heimlich ihre Amme Egidia, wenn diese mit dem Kutscher im Stroh lag, und sie amüsierte sich, dass die beiden bei jedem Geräusch ihre Zärtlichkeiten unterbrachen und aufmerksam wie die Spatzen umherschauten.
    Spannender hingegen, ja geradezu aufregend, waren für Marocia jedoch Nächte wie diese, in denen ihre Mutter sich mit Johannes traf und Gespräche über Herrschaft, Diplomatie und Politik sich mit Zärtlichkeiten verbanden. Im Bett ihrer Mutter wurden Pläne geschmiedet, zum Beispiel der, wie man Papst Benedikt dazu anhalten konnte, nur Freunde von Theodora in einflussreiche Ämter zu bringen. Und nie würde Marocia jenes Geschenk vergessen, mit dem Theodora am Morgen des letzten Osterfestes ihren Geliebten überraschte: seine Ernennung zum Kardinal. So einfach also funktionierte die Macht, wenn man sie erst einmal sein Eigen nennen konnte.
    Auf Zehenspitzen schlich sie durch die nächtliche Villa. Sie hatte kaum Mühe, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden. Viele Male schon war sie jeden Gang abgeschritten, hatte jede Tür ertastet, jede Stufe abgezählt. Anhand kleiner Lücken und Wölbungen der Marmorböden konnte

Weitere Kostenlose Bücher