Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
diesem Fall . . .«, sagte er langsam wie eh und je, ohne Liudprand aus den Augen zu lassen. »So habe eben ich einige Wünsche Euch betreffend, Senatrix. Ich möchte, dass Ihr Euer Amt noch drei weitere Jahre ausübt. Das ist die Zeit, die wir brauchen werden, um das Vertrauen der Römer zu gewinnen.«
»Nun ja . . .«, zögerte Marocia, die auf eine solche Bitte nicht vorbereitet war. »Eigentlich hatte ich vor . . .« Sie erkannte an Ottos Blick, dass hinter seiner Bitte nicht simple Höflichkeit stand. Er brauchte sie. Er musste die beiden doch sehr verschiedenen Staaten zu einem Ganzen schmieden, was ohnehin schon eine gewaltige Aufgabe war. Zudem war das Problem mit Berengar von Ivrea noch nicht gelöst, und auch in Ottos deutscher Heimat wagte alle paar Jahre ein anderer Landesfürst den Aufstand. Da wollte der künftige Kaiser sich nicht auch noch mit Rom plagen müssen. »Zwei Jahre«, schränkte Marocia ein. »Keinen Tag länger.«
Otto erhob sich. Über sein frühzeitig gealtertes Gesicht, das sonst so gequält von der Mühsal der Reisen und Feldzüge aussah, legte sich eine tiefe Zufriedenheit.
»Lasst uns darauf trinken«, forderte er Marocia und seine Gefolgsleute auf.
»Bevor wir trinken, Euer Gnaden«, sagte Marocia, »habe ich noch einen Vorschlag.«
»Sprecht freiheraus.«
Marocia zögerte einen Augenblick, um ihre Worte richtig zu wählen. Der Einfall war ihr eben ganz spontan gekommen, aus einer Sentimentalität heraus. Noch saß sie an diesem Verhandlungstisch, noch hatte sie genug Einfluss, um etwas zu bewirken. Lando hatte ihr vor langer Zeit einmal gesagt, er strebe nach der Unabhängigkeit für sein Land. Nun, eine bessere Gelegenheit als diese, das Vorhaben des Mannes, den sie schon fast ihr ganzes Leben lang liebte, zu unterstützen, würde nicht kommen. »Euer Gnaden, ich halte es für eine gute Idee, die Südgrenze des Königreichs Italien vor das Fürstentum Capua zurückzuverlegen.«
Otto selbst blieb ruhig, wie Marocia es nicht anders erwartet hatte. Capua war in seinem künftigen Imperium, das nach den Siegen über die Ungarn und Slawen das ganze mittlere Europa umfasste, nicht mehr als ein kleiner Landstrich. Liudprand von Cremona jedoch erhob sich mit einem Ruck.
»Euer Gnaden«, sagte er fest, »das ist ein ungeheuerlicher Vorschlag, der mich allerdings – wenn ich so offen sein darf – wenig überrascht von einer Frau wie . . .«
Liudprand zögerte, und Marocia ergänzte ihn mit süßlicher Stimme: ». . . der ehemaligen Königin von Italien und jetzigen Senatrix.« Für Liudprand, den Anhänger der radikalen cluniazensischen Ideen, war sie etwas ganz anderes, wie sie wusste: Tochter der verruchten Theodora, Konkubine Sergius’ III., mehrfach verheiratet, Großmutter des derzeit regierenden anrüchigen Papstes, Intrigantin und allzu selbstbewusste Frau. Jeder Einzelne dieser Fakten hätte bereits ausgereicht, sie aus seiner Sicht zu verdammen, aber zusammengenommen ergab sich für ihn wohl geradezu das Bild einer auferstandenen Salome.
»Aus welchem Grund«, fragte er mit aggressiver Stimme an sie gewandt, »sollten wir Capua wohl aufgeben? Nur, weil Ihr Eurem . . . Eurem langjährigen Hahn dort ein Geschenk machen wollt?«
Otto blinzelte zwischen seinem Berater und Marocia hin und her. Offenbar beabsichtigte er nicht, in ein eventuell entstehendes Wortgefecht einzugreifen. Doch Marocia hatte nicht vor, ein solches auszutragen. Ihr ging es um Capua, nicht um den Kampf mit einem religiösen Eiferer.
»Die Zurücksetzung der Grenze«, führte sie Otto aus, »schafft einen Puffer zwischen Euch und den Kolonien des Byzantinischen Imperiums. Mittels Verträgen könnt Ihr Capua leicht als Bündnispartner an Euch binden, für den Fall eines Angriffs der Byzantiner aber habt Ihr eine längere Reaktionszeit, da sie erst Capua bezwingen müssten. Ich meine, dass die Vorteile einer Aufgabe Capuas durch Euch die Nachteile weit überwiegen.«
Liudprand schnappte nach Luft, um eine heftige Erwiderung zu führen, doch König Otto ließ es nicht dazu kommen. Er hob die Hand, um Liudprand Einhalt zu gebieten, und nickte Marocia zu.
»So soll es sein. Damit sind wir dann quitt, nicht wahr, Senatrix?« Sie kannte niemand anderen, der ihr so viel Respekt abverlangte wie Otto. Er war etwas Besonderes, und in seinen Augen spiegelte sich das gleiche Gefühl.
Marocia verbeugte sich leicht, und zum Zeichen des Einverständnisses tranken die Verhandlungspartner sich zu. Kurz darauf
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