Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
verlassen. Aber dies hier, fühlte Marocia, war der Markt einer sterbenden Stadt.
»Warum ist es hier so leer?«, fragte sie Damiane.
»Hojo, die Leute sind arm, Herrin. Nichts zum Tauschen, nichts zum Zahlen. Die meisten können sich die vielen Waren nicht leisten.«
»Viel?«, rief Marocia. »Wie kommst du denn darauf? Mit der Aufzählung dessen, was es hier
nicht
gibt, könnte man sich den Winter über die Zeit vertreiben. Und wie langweilig es hier ist.«
»Die Heiligen Väter haben schon vor vielen Jahren den Schabernack verboten«, nickte Damiane traurig. »In der Stadt der hundert Märtyrer ist zu viel Ulk nicht angemessen, haben sie verkündet. Ihr solltet den Markt in Mainz sehen, nahe meiner Heimat«, erzählte Damiane mit leuchtenden Augen. »Bunt, mit fahrendem Volk, tanzenden Tieren und den stärksten Männern der Welt, dazu Zukunftsseher und magischer Runenzauber.« Bei ihren letzten Worten warf Damiane mit ihren Händen unsichtbare Gegenstände auf den Boden und starrte mit weit aufgerissenen Augen hinunter. Gleich danach bekreuzigte sie sich.
Marocia blickte ihre Zofe in einer Mischung aus Mitleid und Verständnis an. Damiane war abergläubisch, dass es zum Himmel schrie, aber immerhin hatte sie sich die Begeisterung für eine eigentümliche Welt bewahrt. Sie, Marocia, lief über einen tristen Markt, der eines Städtchens würdig gewesen wäre, nicht aber der einstigen Krone der Welt. So hatte sie sich Rom nicht vorgestellt.
Als ihr trauriger Blick von einer Seite zur anderen ging, meinte sie plötzlich ein scharlachrotes Gewand in dem Gewühl zu sehen, und jemanden darin, der sich durch das Haar fuhr. Auf der Stelle blieb sie stehen, forschte weiter, doch ebenso plötzlich, wie es erschienen war, war das Gewand auch wieder verschwunden.
»Was ist?«, fragte Damiane. »Ihr seid ganz blass.«
»Ich . . . ich bin nicht sicher. Aber für einen Moment kam es mir so vor, als hätte ich jemanden gesehen, der . . .« Marocia unterbrach sich, denn über das monotone Gemurmel der Leute hinweg erhob sich plötzlich ein fremder Klang. Ein Mann stand auf einer Kiste und blies in ein seltsames Instrument mit abstehenden Röhren und aufgeplusterten Kammern. Neben ihm stand ein Junge, offenbar sein Sohn, der mit seinen Händen unentwegt einen Balg zusammendrückte, losließ und erneut drückte. Heraus kam ein volltönender, aber auch schräger Klang.
Die Leute blieben stehen und umringten den Musikanten. Auch Marocia ließ sich fesseln. Ein paar Kuriositäten gab es also doch noch.
»Kennst du das?«, fragte sie Damiane.
»Vielleicht eine Beschwörung von bösen Geistern.«
Marocia atmete tief durch. Es war nicht immer leicht für sie, die Antworten Damianes zu ertragen.
Der Musikant hörte plötzlich auf zu spielen. Zwei Waffenträger der städtischen Miliz rissen ihm gewaltsam das Instrument aus der Hand und schleuderten es zu Boden. Einer fasste den Musikanten am Arm, der andere den Sohn, und sie schubsten sie quer über den Markt. Ehe Marocia sich’s versah, waren die beiden aus ihrem Blickfeld geraten. Die Menge zerstreute sich. »Musste ja so kommen . . .«, raunten einige, und andere: ». . . haben sie sich selbst zuzuschreiben . . . kann man halt nichts machen . . . die Armen . . . habt ihr den Jungen gesehen . . . woher sie wohl kamen . . .«
»Was passiert hier?«, fragte Marocia verwirrt.
»Die beiden haben gegen das päpstliche Gesetz verstoßen«, erklärte Damiane schulterzuckend. »Sie wurden verhaftet.«
Auf dem Boden lag noch das Instrument, doch schon näherte sich einer der Händler, blickte links und rechts über die Schulter und zog es unter sein weites Gewand. Marocia ging auf ihn zu.
»Gebt es wieder her«, forderte sie den Mann auf.
»Wovon redest du, Mädchen?«, fragte er barsch zurück.
Damiane zupfte Marocia von hinten an ihrem Mantel, doch vergeblich. Beherzt griff Marocia unter das Gewand des Händlers und zog das Instrument hervor.
»Hiervon«, rief sie und rannte davon, ehe der Mann sie greifen konnte.
»Herrin, Herrin!«, rief Damiane hinter ihr her, doch Marocia war so schnell im Gewühl verschwunden, dass weder die Zofe noch der Waffenträger ihr folgen konnten. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Markt von oben nach unten zu durchsuchen.
Marocia holte indes die Wache ein, die den Musikanten und seinen Sohn abführte. »Wartet«, rief sie und blieb atemlos vor dem ranghöheren der Milizionäre stehen. »Der Mann hat das hier verloren.«
Der
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