Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Dirne.«
Ruckartig wandte sie sich um und rannte, beide Hände auf die Ohren gepresst, davon.
Sergius rätselte, was Marocia widerfahren war. Anstatt dass sie ihm stundenlang von ihrem ersten Ausflug vorschwärmte, blieb sie wortkarg und beantwortete selbst seine Nachfragen zerstreut und knapp. Das sah ihr nicht ähnlich. Und wenn er sie umarmen wollte, zuckte sie wie eine Jungfrau zusammen. So verbrachte sie den Abend, die Nacht, den darauf folgenden Morgen. Erst am Mittag hellte sich ihre Stimmung ein wenig auf, als der Musikant gemeldet wurde. Zwar war eine Verständigung zunächst kaum möglich, doch der Mann und sein Sohn lenkten Marocia zumindest ein wenig von dem ab, was an ihr nagte.
Man bekam heraus, dass der Mann aus dem böhmischen Pilsen stammte und neben Slawisch auch ein wenig Deutsch sprach. Von da an war das Sprachproblem gelöst. Damiane musste nur noch übersetzen.
»Dudelsack?«, fragte Marocia lachend nach. »Ich habe nie davon gehört.«
»Der Mann sagt«, erklärte Damiane, »dass die Hunnen vor vierhundert Jahren dieses Instrument aus dem Osten mitgebracht haben. Es wird aber selten gespielt.«
»Und wie funktioniert es?«, fragte Marocia und drückte auf einen der Balge, wobei ein Geräusch entstand, das sehr an ein Schaf erinnerte. Alle lachten, auch der Musikant und sein Sohn. Dann erklärte er es Damiane.
»Er bläst Atemluft in diesen Ledersack«, übersetzte sie, »und presst sie danach in die Spielpfeife und von dort in die einzelnen Tonpfeifen. Schwierig zu spielen, meint der Mann, deshalb braucht er auch seinen Sohn als Hilfe.«
Sergius erinnerte sich an etwas: »Ich glaube, es stammt aus Indien oder Arabien. Es gibt eine Menge Gerüchte über merkwürdige Instrumente der Ungläubigen, über eine Trompete und eine Pauke.«
»Also holen wir diese anderen unbekannten Instrumente einfach nach Rom«, jubelte Marocia. »Das wird ein Zusammenspiel, wie die Welt es noch nicht gehört hat.«
Sergius räusperte sich. »Hast du vergessen, dass es ein päpstliches Gebot gibt, wonach das Musizieren auf öffentlichen Plätzen untersagt wird?«
Marocia lächelte ihn mit aller Lieblichkeit an, die ihr zur Verfügung stand. »O nein«, erwiderte sie. »Das habe ich nicht vergessen.«
Sergius hob das Gebot am nächsten Morgen auf, und das Auftrittsverbot für Gaukler und dergleichen gleich mit. Bald sprach sich die neue Verfügung herum, und mehr und mehr dieser fahrenden Spieler und Artisten versuchten ihr Glück in der Ewigen Stadt. Viel war hier noch immer nicht zu verdienen, denn die Einwohnerschaft war zu arm und musste sich auch erst an die Gaukelei gewöhnen. Aber wenigstens wurde nun keiner mehr in den Mamertinischen Kerker geworfen, der versuchte, ein wenig Zerstreuung und Freude in die Herzen der Menschen zu bringen.
Auch am Lateran ging der neue Wind nicht vorüber. Spieler, ja sogar Dichter aus allen Himmelsrichtungen gingen bei Marocia ein und aus. Sie trugen Verse vor, sangen Auszüge aus ihren Mysterienspielen, führten sogar Stücke auf. Der Boden dröhnte bisweilen von Pauken, die Luft vibrierte unter dem Geschmetter der Trompeten. Den Spielern folgten Architekten und Mosaikmaler, die sich daranmachten, den Lateran zu verschönern. Räume hellten sich auf, die Gärten blühten üppiger denn je. Tag für Tag brütete Marocia über neuen Ideen, war manchmal noch beschäftigter als Sergius. Wie ein Sommerwind im dicksten Winter fegte sie durch Saxos Revier und brachte bald fast alle Mönche dazu, sie zu schätzen, wenn nicht gar zu mögen.
Nur einem passte das gar nicht, Saxo, dem
primicerius
. Oh, diese Marocia verstand es hervorragend, alle Maßnahmen als Verbesserungen für das Leben im Lateran zu tarnen, in Wahrheit aber wurden die Mönche von den bunten Farben und lichten Räumen nur von ihrer Arbeit abgelenkt. Ihre fröhlichen Gesichter waren ihm ein Graus, Marocias wachsende Beliebtheit ein Ärgernis. Grimmig verfolgte er auch das erste Zusammenspiel der verschiedenen Musikanten in einer der Hallen, ein neuerlicher Höhepunkt in der Reihe von Kuriositäten, die den Alltag des Lateran erschütterten.
Ein paar Schritte weiter lehnte Sergius hinter einer Säule und betrachtete Marocia, wie sie lachte, manchmal vor Staunen zuckte oder erschrak. Er war glücklicher als je zuvor. Alles hatte sich zum Guten gewendet, so, wie Marocia es ihm vor vielen Monaten prophezeit hatte. Kurz nach der Auseinandersetzung mit ihrer Mutter hatte er die Befürchtung gehabt, sie könnte
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