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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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des anderen erkannte Marocia sofort, wer hier vor ihr lag. Nur glauben konnte sie es noch nicht.
    Entsetzt ächzten die Umstehenden auf, als sie das Gesicht sahen, und die Furcht stand in ihren Augen geschrieben. Auch ohne den Medicus wussten sie, womit sie es hier zu tun hatten. Niemand schrie. Ein unheimliches Schweigen legte sich über den Hof. Niemand rührte sich. Drei Atemzüge lang schien es, als stünde die Welt still. Dann sprach einer es aus: »Aussatz.« Und als habe er die Leute damit daran erinnert, dass sie noch lebten und weiterleben wollten, liefen nun alle schreiend davon.
    Marocia blieb mit der Kranken allein. Sie strich vorsichtig deren Kopfschleier zurück und bettete das Haupt mit den Händen darauf.
    »E-Egidia?«, flüsterte sie. Mit einem Mal begriff sie alles.
    Die Frau nickte. »Ich bin es«, gestand sie sanft. »Gib Acht, Kind. Komm mir nicht . . . Steck dich nicht . . .«
    Marocia hielt den Finger vor den Mund. »Kein Wort darüber. Du warst so oft für mich da, und jetzt bin ich für dich da.«
    Marocia sah sich hektisch nach dem Medicus um, doch er war noch nicht zu sehen. »Der hilft mir nicht mehr, Kind«, sagte Egidia mit zitternden Lippen. »Menschen wie ich . . . werden in die Berge geschickt oder auf Inseln. Ist auch der Grund, weshalb das Weib da oben nicht wollte, dass es herauskommt. Sie . . . sie hat es zuerst bekommen und mich damit angesteckt. Dann hat sie die anderen fortgeschickt, bevor die was merken konnten.«
    »Du bist hierher gegangen, nachdem Mutter dich vertrieben hat?«
    Egidia nickte. »Mit dem Regnald. Er ist vor ein paar Jahren gestorben und liegt . . .«
    »Ich war dort«, sagte Marocia. »Ich habe ihn nachts besucht, so wie du.«
    Jedes Wort schien Egidia Schmerzen zu bereiten, doch ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. »War der glücklichste Moment meines Lebens, als ich dich wieder gesehen habe, Kind. Das Weib aber hat mir verboten, dich anzusprechen. Sie wollte ihr Geheimnis nicht teilen. Und jetzt . . . bin ich wieder glücklich.«
    Eine Träne löste sich aus dem einen Auge, das Egidia geblieben war, und Marocia fühlte sich, als laste der ganze Himmel auf ihren Schultern. Was konnte sie nur tun?
    In einer der Pforten sah sie den Heiler stehen, doch er reagierte nicht auf ihre Gesten, mit denen sie ihn heranwinken wollte. »Bleib still liegen«, bat sie ihre frühere Amme. »Ich bin gleich wieder da.«
    Sie legte einen Schal unter Egidias Kopf. Anschließend eilte sie zum Medicus, der sich keinen Fingerbreit von der Pforte rührte. Marocia hatte ihn bisher nie in Anspruch genommen, aber sie wusste, dass er auf Empfehlung des Bischofs sein Amt bekleidete. Desiderius hatte seine Leute überall positioniert.
    »Warum helft Ihr der Kranken nicht?«, fuhr sie ihn mit gesenkter, aber gereizter Stimme an. »Und sagt mir nicht, dass Ihr deren Hexenkünste fürchtet.«
    »Kein Mensch kann der Frau mehr helfen«, sagte er.
    »Ihr habt es ja noch nicht einmal versucht«, gab sie zurück. »Ich weiß, dass Lepra nicht heilbar ist, aber es gibt Tinkturen, die sie aufhalten können. Daher hat es im Turm auch immer so erbärmlich gestunken – die haben sie selber hergestellt. Und was ist mit den Schmerzen? Habt Ihr Opium? Ich gebe es ihr selbst, wenn Ihr Angst habt.«
    Er sah über Marocias Schulter zu Egidia. Er zögerte einen Moment, dann einen weiteren, schließlich sah er wieder Marocia an und sagte: »Ich habe Opium. Aber Ihr braucht es nicht.«
    Marocia schoss das Blut in den Kopf. »Was seid Ihr nur für ein Arzt! Wenn Ihr es mir nicht gebt, werde ich eben . . .«
    »Ihr habt mich missverstanden, Durchlaucht«, unterbrach er sie und blickte wieder in den Hof. »Die Frau ist tot.« Er wiederholte seine Worte, so dass die ganze Burg sie hören konnte: »Sie ist tot.«
    Aus allen Türen und Fenstern tauchten nun Köpfe und Leiber auf, die erleichtert und neugierig auf den Leichnam spähten. Marocia ging zu Egidia. Sie kniete sich nieder und streichelte ihr über die Haare. Ja, sie war tot, erkannte Marocia, aber sie hatte nach so viel Qual am Ende noch eine kurze Freude am Leben gefunden.
    Nun ging alles schnell, zu schnell. Desiderius und Agipert waren inzwischen informiert worden, nur der Herzog befand sich unten in der Stadt. »Verbrennt sie«, ordnete Agipert an. Das Gesinde führte diesen Befehl mit großem Eifer aus, trug Holz und Stroh zusammen und schichtete es über der Toten auf.
    »Nein!«, rief Marocia. Die Verbrennung galt als die schlimmste Rache an

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