Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
waren dick mit Stoff umwickelt. »Du bist der Bauer?«, fragte Marocia. »Gut. Ich bin die Herzogin und möchte den Teil deiner Ernte kaufen, der dir bleibt. Für den Hof. Du verstehst?«
Der Bauer traute sich nicht, etwas zu sagen. Noch nie war er von jemand Bedeutenderem als dem Verwalter des Grundherrn und dem Sekretär des örtlichen Abtes angesprochen worden. Doch nachdem er seine Familie ungläubig über die Schulter angesehen hatte, nickte er.
»Fein«, sagte Marocia. »Ich zahle dir zwei
manci
pro Fass.«
Zwei Goldmünzen. Bei dieser Bezahlung musste der Bauer glauben, Marocias elegantes Stadtlatein sei zu hoch für einen simplen Mann wie ihn. Ein Hörfehler, ohne Zweifel. Doch sie bestätigte es: »Zwei
manci
, und zwar nicht
in rem valentem
.« Diese Klausel
in rem valentem
wurde bei fast allen Geschäften benutzt; sie ermöglichte es dem Käufer, seinerseits mit Waren zu bezahlen. Ein Tauschhandel, bei dem die Bauern meist das Nachsehen hatten, wusste Marocia.
Der Mann fiel stumm auf die Knie und zeigte ein zahnloses Lachen. »Nicht doch«, protestierte Marocia. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Ich bin vorhin an zwei Inspizienten deines Grundherrn vorbeigekommen. Es ist besser, ihr verschwindet. Hier ist eine Anzahlung.« Sie drückte dem Bauer einen Beutel in die Hand, saß auf und schnalzte ihrem Pferd zu. An Tagen wie diesen bekam sie das beruhigende Gefühl, irgendwie nützlich zu sein.
Zurück in der Burg wartete schon Damiane auf sie. Das war ungewöhnlich, denn ihre Zofe, die zugleich Clemens’ Amme war, schlief bis weit nach Sonnenaufgang. Marocia machte das nichts aus, denn sie hatte genügend andere Dienerinnen, die ihr zur Hand gehen konnten. Nun aber stand sie, kaum dass die bleiche Sonne über den Hügeln aufgegangen war, in der Pforte des Wohnhauses. Ihr blonder Zopf war erst halb geflochten, und unter dem wärmenden Mantel schien sie noch ihr Nachtkleid zu tragen.
»Es ist wegen Clemens, Herrin«, sagte sie und nagte an der Lippe.
Marocia erschrak. »Ist er krank?«
»Nein, Herrin, aber der Herzog . . . und der Bischof . . . sie . . .«
Marocia wartete nicht ab, bis Damiane den Satz zu Ende stottern konnte. Sie rannte ins Innere der Burg, direkt zu Clemens’ Gemach, das neben dem von Damiane lag. Dort sah sie Alberic und Desiderius und auf dem Bett – gottlob – ihren Sohn.
»Worum geht es bei diesem Besuch?«, fragte sie ihren Gemahl vorsichtig.
Er räusperte sich, ging mit gebeugtem Rücken auf einen Stuhl zu und ließ sich ächzend darauf nieder. Seit einiger Zeit machte ihm die Gicht zu schaffen, und die Schmerzen, die diese Krankheit mit sich brachte, zeichneten sich deutlich auf seinem Gesicht ab. Seine grauen Augen blieben jedoch matt und emotionslos, als er begann: »Nun ja, meine Liebe, der Bischof hat mich darauf hingewiesen, dass Euer Sohn in seinem Alter die Mutter nicht mehr braucht und daher nicht länger an diesen Hof gehört. Er ist ein Bastard. Aber natürlich wird man sich gut um ihn kümmern.«
»Er wird Mönchen meiner Diözese in Chieti übergeben«, erklärte Desiderius. »Bis zu seinem siebten Lebensjahr wird er in deren Obhut aufwachsen . . .«
»Das wird er nicht!«, fuhr Marocia dazwischen.
». . . und anschließend als Novize aufgenommen.«
»Alberic!«, rief Marocia. »Das könnt Ihr nicht zulassen.
Ich
bin die Mutter. Er ist
mein
Sohn.«
Alberic machte ein Gesicht, als trage er ein stacheliges Büßerhemd, und rieb sich Nacken und Schultern. »Diese Verfahrensweise ist bei Bastarden, die mit in die Ehe gebracht werden, nicht unüblich. Es ist eine Regel, von Gott gefügt.«
»Zum Teufel mit dieser Regel!«, rief Marocia. »Wenn ich meinen Sohn dieser . . . dieser Mönchsbande übergeben muss, taugt sie nichts.«
»Marocia!«, rief Alberic atemlos und sprang trotz seiner Schmerzen auf. Fast knickte er dabei um. Er hielt sich kurz den Oberschenkel. Marocia wollte ihn stützen, doch er wies ihre Hilfe höflich, aber entschieden zurück. »Euer Sohn wird morgen abfahren. Ihr dürft den Knaben begleiten und einige Wochen mit ihm im Kloster verbringen, um ihm die Eingewöhnung zu erleichtern. Für diese gnädige Regelung solltet Ihr Euch beim Bischof bedanken, denn er hat sie vorgeschlagen.«
Marocia konnte nichts mehr erwidern. Sie sah zu, wie die beiden das Gemach verließen, dann ging sie zum Fenster und blickte über die Landschaft, deren rostig braune Hügel wie Wellen aus dem Nebel der Niederungen ragten und wieder darin verschwanden.
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