Die Herrin der Pyramiden
kalt. Nun verstand ich sein selbstbewusstes Auftreten bei Hof.
»Ich wollte mich mit meinem Mann unterhalten.«
»Um diese Zeit?«, fragte Ti.
»Und was machst du noch hier?«, konterte ich.
Ti kehrte zu seinem Geliebten ins Bett zurück. Rahotep empfing ihn mit offenen Armen und einem Kuss auf die Lippen. Langsam gewann ich meine äußerliche Ruhe zurück.
Rahotep setzte sich auf und sah mich an. »Ich kann mir vorstellen, Nefrit, dass es dir unangenehm ist, mich in unserer Hochzeitsnacht mit Ti im Bett zu finden. Und ich kann mir vorstellen, wie unangenehm es dir wäre, darüber mit anderen sprechen zu müssen.«
»Ja, höchst unangenehm.«
»Dann belaste deinen schönen Kopf nicht weiter mit diesen Gedanken, Nefrit. Vergiss, was du gesehen hast!«
»Und wenn ich diese Erinnerungen nicht loswerde?«
»Dann wird General Ti dir sicherlich dabei helfen.«
Nun wusste ich, warum Rahotep mich geheiratet hatte, eine Frau aus dem Volk, die von der Macht des Königssohnes so geblendet sein würde, dass sie ihrem Ehemann alle Eskapaden verzieh, nur um nicht in das Loch zurückkriechen zu müssen, aus dem sie aufgestiegen war. Zudem hatte Ti mir die Konsequenzen deutlich aufgezeigt, sollte ich mich entschließen, über das Gesehene auch nur ein Wort zu verlieren. Rahotep und Ti hatten ihre Liebesbeziehung seit drei Jahren geheim halten können. Und ich hatte Rahotep für zurückhaltend und treu gehalten!
»Seine Majestät wünscht dich zu sehen, Prinzessin!«
Die letzten Wochen seit der Hochzeit hatte ich wie in Trance verbracht. Ich aß wenig, schlief kaum und hatte an Gewicht verloren, ohne dass ich mich der Praxis bei Hofe bediente, mich nach den Mahlzeiten zu übergeben. Es gab nichts zu tun. Kamose sandte mir keine Baupläne mehr, und um Übernahme von Pflichten im Palast hätte ich Rahotep bitten müssen.
Ich war ihm und Ti aus dem Weg gegangen. General Tis Palastwachen verhielten sich diskret, nie bekam ich mehr als einen oder zwei von ihnen zu sehen. Wenn sie sahen, dass ich sie bemerkt hatte, zogen sie sich sofort ein paar Schritte zurück. Vermutlich war es Ti egal, wenn ich bemerkte, dass ich unter Bewachung stand, aber Rahotep hatte auf Diskretion bestanden, damit der Hof nicht erfuhr, dass ich seine Gefangene war.
»Hast du mich gehört, Prinzessin? Der Lebendige Gott wünscht dich zu sehen!«
»Wann?«
»Sofort«, antwortete der Schreiber, und ich folgte ihm durch die Gänge des Palastes in das Vorzimmer des königlichen Arbeitsraums.
Als ich nach einer langen Wartezeit in das Allerheiligste des Staates vorgelassen wurde, saß Seneferu an seinem Schreibtisch und las aufmerksam einen Papyrus. Drei Schreiber standen hinter ihm, um jeden Befehl aufzuschreiben, der über seine Lippen kam.
»Prinzessin Nefrit, Euer Majestät«, kündigte mich Thotmes an.
Seneferu sah nicht sofort hoch. »Du kannst dich in meiner Gegenwart erheben, Nefrit.«
Während ich mich erhob, verließen die Schreiber den Arbeitsraum. Wir waren allein.
Sein Schweigen dauerte so lange, dass ich ihn unwillkürlich ansah. Unsere Blicke trafen sich, versanken ineinander.
Dann besann er sich: »Wie lange bist du nun mit Rahotep verheiratet?«
»Neun Wochen, Euer Majestät.«
»Deine Ehe mit Rahotep ist nicht glücklich, nicht wahr?«
Ich sah ihn überrascht an. »Rahotep ist ein einfühlsamer und rücksichtsvoller Ehemann.«
»Du beantwortest meine Frage nicht.«
Ich zögerte. Warum sollte ich ihm diese Frage beantworten? Ich konnte mehr verlieren als gewinnen.
»Rahotep verehrt dich«, fuhr er fort.
Ich wusste, dass Rahotep mich wegen meines entschiedenen Auftretens bewunderte. Aber der wirkliche Grund meiner Ehe mit ihm war nur das Ablenken von einer bei Hof unerwünschten Beziehung. Ich gab seinem Leben einen Anschein von Normalität. Ich wand mich wie eine Schlange im heißen Sand. »Das weiß ich, und ich bin dankbar dafür. Er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.«
Der König lachte aus vollem Herzen. »Nein, Nefrit, das hast du ganz allein geschafft! Rahotep hat dich vielleicht dazu gebracht, das zu tun, was schon immer in dir lag. Aber getan hast du es.« Er sah mich an. »Bist du schwanger? Du siehst in letzter Zeit sehr blass aus.«
»Nein, Euer Majestät.« Mir war nicht bewusst, dass noch jemand im Palast mich beobachtete.
»Teilt Rahotep gelegentlich das Bett mit dir? Oder vergräbt er sich völlig in seinen Aufgaben?«
»Er arbeitet oft bis spätnachts«, antwortete ich
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