Die Herrin der Pyramiden
werden?«
»Mir liegt nichts an dieser Schwangerschaft. Ein Kind wäre mein Opfer an die Dynastie. Ich will, dass du Thronfolger wirst.«
»Warum?«
»Wenn ich das erreichen könnte, wäre meine Ehe mit dir nicht völlig sinnlos.«
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich auf ihn einredete. Rahotep steigerte sich in eine Wut auf seinen Vater und das Herrscherhaus hinein, die er an mir ausließ. Seine Art mich zu entkleiden erregte mich nicht und erinnerte mich an das Schälen einer Orange vor dem Verzehr. Seine Art in mich einzudringen, um sich in mir zu entleeren, fand ich erschreckend.
Danach rollte er sich neben mich und vergrub sein Gesicht in einem Kissen.
Eine Weile betrachtete ich ihn, wie er unbeweglich auf meinem Bett lag. Irgendwann nahm er meine Hand und küsste sie. »Danke, Nefrit. Der künftige König weiß dein Opfer zu schätzen!«
Zwei Tage wartete ich auf eine Nachricht von Seneferu, mit welchen Aufgaben er mich betrauen wollte. Am dritten Tag suchte ich Thotmes auf und fragte nach. Doch er wusste nichts von einer Entscheidung des Königs.
Zehn Wochen Untätigkeit hatten mich ungeduldig werden lassen. Ich fühlte mich wie ein Goldfisch in einem der Wasserbecken im Garten. Die Becken waren mit Fayencekacheln gefliest, in manchen blühten Seerosen. Aber das konnte einen Fisch nicht glücklich machen, der lieber im Hapi geschwommen wäre.
Jeden Tag schritt ich allein die Gänge des Palastes ab auf der Suche nach einer Aufgabe. Ich war überzeugt, dass der König mein Anliegen vergessen hatte.
Am sechsten Tag beschloss ich, einen Spaziergang am Hapi zu machen. Ich durchquerte den Großen Hof, um den sich die Kriegerhäuser der Palastwache gruppierten, und ging zum Palasttor, doch die Wachen verwehrten mir den Durchgang.
»Öffnet das Tor!«, befahl ich.
»Du darfst den Palast nicht verlassen, Prinzessin Nefrit.«
»Wer sagt das? General Ti?«
»Das Gesetz des Palastes, Prinzessin. Die Mitglieder des Harems dürfen den Palast nicht verlassen.«
»Warum nicht?«
»Aus Sicherheitsgründen.«
»Wessen Sicherheit?«
Der Hauptmann zögerte. »Deine eigene Sicherheit.«
»Hauptmann, ich habe einundzwanzig Jahre lang für mich selbst sorgen können. Und jetzt öffne das Tor!«
»Das darf ich nicht, Prinzessin. Du darfst nicht allein hinaus.«
»Dann begleite mich mit einer Eskorte, Hauptmann!«
»Das darf ich nicht, Prinzessin.«
Der Arbeitsraum von General Ti lag im Haus der Kommandantur des Palastregiments. Er war in einer Besprechung mit seinen Offizieren, als ich an seinem Schreiber vorbeirauschte. Die Offiziere erhoben sich bei meinem Anblick und warfen sich dem Zeremoniell entsprechend vor mir auf den Boden. Ti schickte sie hinaus. »Was verschafft mir die Ehre deines Besuches, Prinzessin?«
»Ich will, dass du mir einen Gefallen tust, General.«
»Einen Gefallen?«
»Ich will den Palast verlassen. Ich will am Hapi spazieren gehen und den Markt besuchen.«
»Das ist völlig unmöglich!«
»Es geschehen im Palast noch mehr Dinge, von denen man annehmen könnte, dass sie unmöglich sind. Dinge, über die man nicht spricht ...«
»Willst du mir drohen?«, fragte Ti.
»Nein, General. Ich will lediglich einen Gefallen von dir erbitten.«
Wenn der Vogel den Käfig nicht verlassen kann, muss er seinen Käfig mitnehmen. Als ich in Begleitung eines Hauptmannes der Palastwache und zwölf Bewaffneten am Palasttor erschien, wurde mir das Tor geöffnet. Ich verließ den Palast mit meiner Eskorte und fuhr mit einem Wagen, den der Hauptmann für mich lenkte, in die Stadt.
Ich besuchte den Markt und blieb immer wieder an den Ständen stehen, um die angebotenen Waren zu betrachten. Mein Auftreten mit einer bewaffneten Eskorte der Palastwache erregte das Aufsehen der Menschen. Viele blieben stehen und beobachteten mich.
An den Ständen der Spielzeugmacher handelte ich den Preis für einen hölzernen Esel herunter. Aber nicht zu sehr, nachdem der Händler, der die Figur selbst geschnitzt hatte, mir versicherte, er sei der Vater von acht Kindern. Ich wollte den Holzesel Henutsens Sohn Khepre schenken. Mit meiner Begleitung ging ich weiter zu den Obstständen, wo ich einen Zweig Datteln kaufte.
Ich wollte gerade in eine Dattel beißen, als der Hauptmann meiner Eskorte abwehrend die Hand hob. »Das darfst du nicht, Prinzessin!«
»Warum nicht?«
»Die Früchte könnten vergiftet sein. Sie sind nicht vorgekostet worden!«
Ich schluckte meine Entgegnung mit der Dattel hinunter. Dann
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