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Die Herrin der Pyramiden

Die Herrin der Pyramiden

Titel: Die Herrin der Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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den Fundamenten auf. Gegen Abend war ich bis zur Spitze der Pyramide hinaufgestiegen, als die Wagen aus Pihuni zurückkehrten. Ich beachtete die Ankunft des Königs und seiner Söhne nicht weiter und begann mit dem Abstieg zum Fundament. Dann kroch ich den langen Grabkorridor zur Grabkammer hinab, um sie auf Risse zu untersuchen. Ich suchte die Wände der Königskammer ab, konnte aber nichts entdecken.
    Dann: ein Geräusch!
    Schritte?
    Jemand war mir gefolgt! Wer außer mir kannte den versteckten Zugang zum geheimen Kammersystem? Wer außer Nefermaat und Seneferu selbst war in der Kammer gewesen? Khufu? Rahotep?
    Der Fremde musste den Schein meiner Öllampe gesehen haben, denn die Schritte wurden langsamer und leiser. Ich hörte das Zischen, als ein Dolch gezogen wurde. Vorsichtig kamen die Schritte näher, und ich hielt die Luft an. Sollte ich meine Lampe löschen und mich im Schutz der Finsternis des Grabes verstecken? Doch welchen Vorteil würde mir die Dunkelheit bringen, der nicht gleichzeitig auch mein Nachteil wäre? Wie hätte ich in der Finsternis des Grabes durch den Gang an die Oberfläche fliehen können? Zudem schien mein Verfolger eine Fackel oder eine Öllampe bei sich zu haben.
    Ich hatte Angst!
    Hatte Rahotep von meiner Liebesnacht mit Sarenput erfahren? Nutzte er die Chance, mich loszuwerden? Wenn er mich in der Grabkammer ermordete, würde mich innerhalb der nächsten Jahrzehnte niemand finden. Der Eingang zum Kammersystem war geheim und normalerweise durch einen Stein verschlossen. Die Grabkammer würde nicht einmal beim Tod des Königs geöffnet werden, weil die Pyramide als Grabmal aufgegeben worden war.
    Der Mann setzte seinen Fuß auf die unterste Stufe der Leiter, die zur Grabkammer hinaufführte, und begann seinen vorsichtigen Aufstieg. Und dann stand er mit gezücktem Dolch vor mir.
    Ich atmete erleichtert auf. »Euer Majestät! Ihr habt mich erschreckt!«
    »Nefrit! Was tust du hier?« Er steckte den Dolch zurück in die Scheide.
    »Ich kontrolliere die Fundamente der Pyramide auf Schäden, die sich im Lauf der Jahre ergeben haben könnten.«
    »Und was hast du gefunden?«
    »Nichts, Euer Majestät. Die Grabkammer ist intakt.«
    Er stand nicht einmal eine Elle von mir entfernt. Im Schein meiner Öllampe sah er aus wie ein bronzenes Standbild seiner selbst.
    »Warum habt Ihr vor sechs Jahren diese Pyramide aufgegeben, Euer Majestät? Die Pyramide könnte als Grab genutzt werden.«
    »Sie ist zu klein, Nefrit. Ich bin Seneferu Nebmaat, der Herr der Weltordnung.«
    »Der Stein allein vermag den Menschen nicht zu verewigen. Auch den König nicht, Euer Majestät«, wagte ich zu sagen.
    »Ein monumentales Grab ist nur eine Form, im Gedächtnis des Volkes zu leben, die andere Form ist die Erinnerung an die Tugend und Leistung des Verstorbenen. Die Größe meines Grabmales ist das äußere Zeichen meines Erfolges.«
    »Ihr habt während Eurer Regierungszeit die Maat gesagt und die Maat getan, Euer Majestät.«
    »Ich habe mich immer bemüht ...«
    »... und dafür liebt Euch das Volk.«
    »Ich bin meinem Volk einen würdigen Jenseitspalast für seinen König schuldig. Diese Pyramide ist zu klein geworden.«
    »Euer Vater wäre glücklich gewesen, eine solche Pyramide ...«
    »Ich bin nicht Huni!« unterbrach er mich. »Ich regiere beinahe so lange wie er. Wie hat er sich im Gedächtnis des Volkes verewigt? Als weiser Herrscher? Als erfolgreicher Feldherr? Als Errichter von Tempeln und Städten? Nichts von allem, Nefrit, weil es die Menschen vergessen haben.«
    »Euch kann man nicht vergessen, Euer Majestät.«
    »Schmeichele mir nicht!«
    »Ich sage nichts, was ich nicht auch denke.«
    »Aber leider sagst du nicht immer, was du denkst.« Er sah mir in die Augen, und einen Augenblick lang dachte ich, er würde mich küssen.
    Ich wollte vor ihm fliehen, zur Leiter, die in den Grabschacht hinabführte. Die Luft war heiß und stickig in der Kammer und mir wurde schwindelig. Ich schwankte und wäre gestürzt, wenn Seneferu mich nicht aufgefangen hätte. Länger als notwendig hielt er mich fest.
    Er sah mich nicht an, als er mich losließ.
     
     
    Nach dem Abendessen mit Rahotep und Khufu zog ich mich früh in meine Kabine zurück. Mir war seit dem Aufenthalt in der Grabkammer schwindlig, und ich konnte kaum Nahrung zu mir nehmen. Ich war müde von der Kletterei an der Pyramidenfassade, und doch konnte ich nicht einschlafen. Ich war auf eine mir unbekannte Art erregt. Gleichzeitig schien ich zu

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